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24 Dezember
Freitag, den 24.12.2021 16:00 Uhr Friedenskirche

Wha-Nacht for all of you!

Predigt in der Christvesper 2021

Liebe Brüder und Schwestern,

jedes Jahr im Dezember steht der Evangelist Lukas vor der großen Herausforderung, der Welt die Weihnachtsgeschichte neu zu erzählen. Gott hat ihn einst mit dieser Aufgabe betraut und der Evangelist erfüllt den Auftrag pflichtbewusst. Jahr für Jahr. Doch inzwischen fehlt es ihm zusehends an neuen Einfällen und Gedanken, die es für eine zeitgemäße Weihnachtsgeschichte nun mal braucht. Außerdem ist er wie alle anderen auch nach all diesen Monaten mit Lockdown und Quarantäne und dem ganzen 3 G, 2G, 2G+ einfach nur noch müde. Deshalb beschließt er, sich eine Pause zu gönnen und dieses eine Mal eine professionelle Kommunikationsagentur damit zu betrauen.  Er möchte, dass sie zu Weihnachten eine kurze Geschichte verfassen, die von der Geburt Jesu erzählt, Josef, Maria, Hirten, Könige und Engel einschließt und als zentrale Botschaft die Erlösung der Welt unter die Leute bringt. Als Abgabetermin wird der 24.Dezember 16.00 Uhr vereinbart. Kurz darauf erhält die Agentur einen großen anderen Auftrag und gibt die Weihnachtsgeschichte an einen freischaffenden Journalisten weiter, der eine gefühlvolle Weihnachtsstory von Jesus und seinem Personal mit einer Lösung für die Welt schreiben soll. Drei Tage später wird der Journalist krank und ruft eine alte Bekannte aus Studientagen an und bittet sie darum, eine persönliche Weihnachtsbotschaft für alle zu finden. Am 24. Dezember um 15.59 Uhr hat der Evangelist Lukas die Weihnachtsgeschichte auf seinem Handy. Sie ist kurz, leicht lesbar, weltweit verständlich und auch über die sozialen Medien perfekt zu verbreiten. Sie lautet: „Why me? Why you? Why-Nacht for all of you!” – Warum ich? Warum Du? Warum diese Nacht für uns alle?

 

Liebe Brüder und Schwestern, die Frage nach dem „Warum“ beschäftigt uns Menschen, seit wir denken können. Sie ist die größte aller Fragen und schon die Kleinsten beherrschen sie aus dem ff: Warum?

 

Denn als Menschen sind wir, ob wir das nun immer merken oder nicht, stets auf der Suche nach einem Sinn in dem, was wir tun und erleben. Und in den vergangenen zwei Jahren vielleicht mehr denn je. Denn eine Antwort auf die größte aller Fragen zu haben, gibt Halt auch in dunklen Zeiten. Dann zeigt sich nämlich, was wirklich Bestand hat und was nicht.

 

Das kleine Wortspiel „Why me? Why you? Why-Nacht for all of You?“ stellt augenzwinkernd an Heiligabend genau diese eine Frage.

Warum? Weil es jene Nacht ist, in der wir vom Himmel her eine Antwort darauf bekommen.

 

Denn an Weihnachten, liebe Brüder und Schwestern, legt Gott uns seine Antwort in die Krippe. Und seine Antwort ist ein Kind! Ein kleiner Mensch, der wie alle Menschen ganz und gar angewiesen ist auf Wärme, Zuwendung und Liebe. Und wer könnte seinem Blick widerstehen? Ja, wer kann den Augen eines Neugeborenen widerstehen? Wenn wir dieses kleine Wesen behutsam in den Armen halten, wissen wir dann nicht die Antwort auf unser Warum? Kommt dann nicht alles Fragen, alles Zweifeln für einen Augenblick zur Ruhe?

 

Wir sind, weil Gott uns ins Dasein geliebt hat, und weil er uns braucht, um seine Liebe in dieser Welt zum Leuchten zu bringen. Diese Liebe ist der Sinn unseres Lebens. Und im Kind in der Krippe ist sie Mensch geworden. Sein überlieferter Name ist Immanuel. Was so viel heißt wie „Gott mit uns“. Denn Gott selbst ist in jener Nacht zur Welt gekommen, damit wir auch in dunklen Zeiten nicht verloren gehen. So wird diese Nacht zur Weih-Nacht für uns alle. Und in jedem Menschenkind kommt Gott zu uns.

 

Liebe Brüder und Schwestern, aber wo bist Du? Wo bin ich? Wo seid Ihr? Wo sind wir in dieser Nacht? Draußen auf dem Feld bei den Hirten? Im Stall zwischen Ochs und Esel? Auf dem Weg und dem Stern hinterher? Und wo ist Bethlehem?

 

Wir hören die Weihnachtsgeschichte nach Lukas alle Jahre wieder an Heiligabend, weil wir uns in sie hineinerzählen können. Wie die Kinder das beim Krippenspiel tun und selbst zu Maria und Josef, zum Verkündigungsengel und Bethlehemsstern, zu Hirten und Königinnen werden. Sie spielen diese Rollen nicht nur, sie sind dann Maria und Josef, Engel und Stern, Hirtin und König. Und die uralte Geschichte erwacht zum Leben. Es war einmal und ist heute. Liebe Brüder und Schwestern, also wird Offenbach zu Bethlehem. So einfach ist das.

 

Und Sie heute Abend nach der Bescherung und dem Festessen vielleicht ein paar ruhige Minuten für sich haben, liebe Brüder und Schwestern, und in das warme Licht der Kerzen schauen, dann probieren Sie es doch einmal aus, wie das geht mit dem Hineinschauen ins Damals.

 

Stellen Sie sich vor, Sie sind in Bethlehem sind und spielen in der Weihnachtsgeschichte eine Rolle spielen.

Wer sind Sie heute am Heiligabend 2021?

Ein Hirte, der gegen die Angst und die Kälte ein kleines Feuer angemacht hat, gespannt in die Nacht hineinlauscht, seine Herde hütet und ungeduldig auf den Morgen wartet? Oder einer der Weisen aus dem Morgenland, der noch ganz weit weg ist vom Ort des Geschehens und nur ein kleines Licht am Horizont hat, das ihm die Richtung weist? Oder sind Sie einer der Engel, der oder die anderen eine Freude macht und so Licht und Frieden in die Welt bringen?

Oder Josef, der nicht wirklich versteht, was ihm da geschieht, der aber das Wunder dieser Nacht trotzdem behütet und bewacht?

Oder Maria, die das Kind in ihren Armen wiegt und alles, was sie hört, in ihrem Herzen bewegt?

Oder die Krippe, die einfach nur da ist, um dem neuen Leben Raum zu geben? Und Wärme? Weil die Tiere drumherum schnaubend dafür sorgen?

 

„Why me? Why you? Warum ich? Warum Du?“

Liebe Brüder und Schwestern, der Sinn des heutigen Abend ist doch auch, dass wir alle spielen an Weihnachten eine wichtige Rolle spielen. Gott braucht uns, damit seine Geschichte mit uns Wirklichkeit werden kann und seine Liebe auch heute Mensch wird. Gerade heute.

 

Und vielleicht, vielleicht werden wir irgendwann auf diesen Heiligen Abend 2021 zurückschauen und erkennen: In dieser Nacht hat das Neue begonnen. In dieser Nacht war die Rettung da. In dieser Nacht hat die Geschichte einen anderen Lauf genommen. Denn auch heute ist Gott zur Welt gekommen, um bei uns zu bleiben. Er ist die Antwort auf unser Warum.  Vielleicht noch mehr als in den vielen vergangenen Jahren. Das Neue beginnt immer wieder. Irgendwo irgendwann schweigen die Waffen auch immer. Auch Corona hört auf zu feuern. Und das Neue beginnt.

 

So hören wir nun heute Abend neu die Weihnachtsgeschichte, wie sie geschrieben steht bei Lukas:

Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.
Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.
Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr.
Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.
Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen:
Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.
Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen.
Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.
Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.
Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

 

Liebe Brüder und Schwestern, ich glaube dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Es ist alles gesagt. Ach, doch. Ich stelle Ihnen nun meine ganz besondere Weihnachtsfrage: Ist dieses Kind in der Krippe nicht ein ganz besonderer Trost für uns alle?

Ich wünsche Ihnen von Herzen eine frohe Weih-Nacht. Bleiben Sie und alle Ihre Lieben behütet in der Hoffnung, die von diesem Kind ausgeht und uns durch die Nacht nach Bethlehem bringen wird, um die Geschichte zu sehen, die Gott uns Menschen allen verheißen hat.

Amen

Wir freuen uns auf Ihren Besuch in der Friedenskirche in Offenbach am Main.