Liebe Brüder und Schwestern, am Heiligen Abend 1968, also heute genau vor 50 Jahren, umrundete die Apollo 8 zum ersten Mal den Mond, um seine Rückseite zu erforschen. Die Astronauten waren darauf gefasst, unerwartete Dinge zu sehen. Mit einem aber hatten sie nicht gerechnet. Als sie nämlich wieder aus dem Schatten des Mondes herausflogen, sahen sie am Himmel hell erleuchtet die Erde aufgehen.
Das Bild von jenem Erdaufgang, das sie von ihrer Mission nach Hause brachten, berührte die Menschen rund um den Globus auf ganz besondere Weise. Denn sie sahen zum ersten Mal mit eigenen Augen die zerbrechliche Schönheit unseres blauen Planeten, wie er da ganz klein aus der schwarzen und unendlichen Tiefe des Alls aufleuchtete.
Im August 2018 sitzt die 15-Jährige Greta Thunberg vor den Stufen des schwedischen Parlaments und streikt. In der Hand ein Schild: „Skostreijk for klimatet“, „Schulstreik für das Klima.“ Sie weiß, wie fragil dieses kleine Gestirn ist, das wir unser Zuhause nennen, und wünscht sich nichts mehr, als dass das immer so bleiben möge. Sie fordert von den Erwachsenen deshalb, endlich Verantwortung für diese Erde zu übernehmen. Andernfalls würden sie, die Kinder, handeln.
„Selbst wenn es keine Hoffnung gibt, müssen wir etwas tun,“ verlangt sie von den Großen. „Keine Hoffnung haben, ist keine Entschuldigung. Was wir noch mehr brauchen als Hoffnung ist Action. Und wenn wir erstmal anfangen etwas zu tun, dann gibt es auch Hoffnung!“ sagt sie in ihrer Rede vor der UN-Klimakonferenz in Kattowitz. Und das Bild dieses kleinen Mädchens mit den dicken Zöpfen und vor Aufregung roten Wangen, dem Männer und Frauen aus allen Herrenländern staunend zuhören, ist mindestens so berührend wie jenes Foto, das die Apollo 8 damals von der Erde gemacht hat.
Und der Mut der jungen Greta ist ansteckend. Aus ihrem Sitzstreik ist mittlerweile eine große Bewegung geworden. Weltweit haben sich Jugendliche ihrem Protest angeschlossen und streiken für die Zukunft unseres Planeten. „This is Zero Hour!“ heißt eine Initiative von jungen Leuten in Amerika, die sich zusammengetan haben, um gemeinsam etwas zu verändern.
Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern die Stunde „Null“. „Denn jetzt ist noch Zeit, um etwas gegen den Klimawandel zu tun,“ sagen sie allen Unkenrufen zum Trotz und lassen sich die Hoffnung einfach nicht nehmen.
Auch der Prophet Jesaja sagt uns in seiner großartigen Vision alle Jahre wieder am Heiligabend den Anfang einer neuen Zeit voraus. Vielleicht trifft diese Vision in diesem Jahr in besonderer Weise zu. Vielleicht brauchen wir sie mehr denn je. Hören wir uns also an, was er uns zu sagen hat.
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. 2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. 3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. 4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. 5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er’s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.
Liebe Brüder und Schwestern, der Prophet macht den Menschen seiner Zeit, die nur noch schwarzsehen, Mut, ja nicht zu resignieren und die Hoffnung aufzugeben, dass sich alles zum Guten ändern kann. Denn es ist ja mitten in der Nacht und genau da beginnt der neue Tag, erinnert er sie und uns heute.
Und er sieht diese neue Zeit anbrechen mit der Geburt eines Kindes. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter, sagt er. Die ganze Welt liegt in der Hand dieses Kindes.
Auf Ihrem Liedzette sehen Sie jenes Kind, das unsere Erde spielerisch wie einen kleinen Ball in seiner Rechten hält. Große Herrscher haben sich früher mit ihr in Form eines Reichsapfels abbilden lassen, um zu zeigen, welche Macht sie haben. Hier aber bekommt ein Kind die Erde tatsächlich in die Hand und verändert unseren Blick von einer Sekunde zur anderen.
Frieden wird es uns bringen, dieses. Kind, und Gerechtigkeit, sieht Jesaja voraus und nennt es „Wunder-Rat“, „Gott-Held“, „Friede-Fürst“. Warum?
Weil es entwaffnend mächtig ist in seinem Vertrauen, mit dem es zur Welt kommt und alles zum ersten Mal sieht. Durch seine Augen können auch wir neu sehen. An seiner Seite lernen wir wieder das Staunen und die Freude darüber, auf dieser Erde leben zu dürfen. Denn Kinder haben keine „hidden Agenda“, wie die 16 jährige Umweltaktivistin Jamie Margolin selbstbewusst in ihrem Blogg schreibt. „Wir wollen nichts anderes als einen Planeten, auf dem alle leben können.“
Lassen wir uns doch von diesem Kind an die Hand nehmen und ihm glauben, dass heute die Stunde Null ist, in der wir neu beginnen und handeln können. Denn am Heiligen Abend feiern wir immer wieder jenen Anfang, den uns Gott mit dem Kind in Betlehem geschenkt hat, und mit dem unsere Zeitrechnung doch beginnt.
Wie das aussehen könnte, wenn wir uns und unsere Welt diesem Kind anvertrauen, sagt der Niederländer Jan Willem Schulte Northolt in seinem wunderbaren Weihnachtsgedicht so:
Das Volk, das noch im Finstern wandelt
– bald sieht es Licht, ein großes Licht.
Heb in den Himmel dein Gesicht
und steh und lausche, weil Gott handelt.
Die ihr noch wohnt im Tal der Tränen,
wo Tod den schwarzen Schatten wirft:
Schon hört ihr Gottes Schritt,
ihr dürft euch jetzt nicht mehr verlassen wähnen.
Er kommt mit Frieden. Nie mehr Klagen,
nie Krieg, Verrat und bittre Zeit.
Kein Kind, das nachts erschrocken schreit,
weil Stiefel auf das Pflaster schlagen.
Die Liebe geht nicht mehr verloren.
Das Unrecht stürzt in vollem Lauf.
Der Tod ist tot. Das Volk jauchzt auf
und ruft: „Uns ist ein Kind geboren!“
Dann wird die arme Erde allen
ein Land voll Mich und Honig sein.
Das Kind zieht als ein König ein,
und Davids Thron wird niemals fallen.
Dann stehen Mensch und Mensch zusammen,
vor eines Herren Angesicht,
und alle, alle schaun ins Licht
und er kennt jedermann beim Namen.
Liebe Brüder und Schwestern, schauen wir heute Nacht gemeinsam in den Himmel, um dort die Erde aufgehen zu sehen. Denn Gott ist Mensch geworden. Das Kind von Betlehem hält uns in seinen Händen. Und die ganze Schöpfung wartet voller Sehnsucht auf dieses Kind. Alle Jahre wieder. Mit der Hoffnung auf den Beginn einer neuen Zeit.
Einer neuen Zeit, die ihr Licht vorauswirft in Menschen wie der jungen Greta Thunberg. Jamie Margolin und all den anderen jungen Leuten rund um den Globus, die unseren blauen Planeten in all seiner zerbrechlichen Schönheit bewahren wollen und uns vor Augen führen, dass man nicht groß sein muss und mächtig, um unsere Welt zum Guten zu verändern. Einer neuen Zeit, die ihr Licht vorauswirft, wo wir es Weihnachten werden lassen und uns dem Kind anvertrauen, das jenen Frieden bringt, den wir uns allein nicht bringen können.
Und so wünsche ich Ihnen, liebe Brüder und Schwestern, im Namen dieses Kindes von Herzen ein friedvolles Weihnachten! Amen