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11 Februar
Sonntag, den 11.02.2018 09:30 Uhr Friedenskirche

Superhelden

Predigt zu Jes 42,1-4

Meine lieben Brüder und Schwestern.

Es gibt sie wirklich: die Superhelden. Sie heißen Mr. Xtreme Life oder Zetaman.

Wie die Helden aus Film und Comic wollen sie die Welt verbessern. Sie sind die “Real Life Superheroes”, wie sie sich nennen – die Superhelden des echten Lebens. Und sie patroullieren in selbstgebastelten Kostümen die Straßen von San Diego, Vancouver oder New York.

Aber nicht nur in Nordamerika gibt es sie, auch in Asien, Europa und Afrika wirken diese maskierten Weltverbesserer. Ihre Kostüme: farbige Spandexhosen und bunte Capes, kugelsichere Westen und angsteinflößende Masken wie ihre Vorbilder Batman und Superman.

Ihre Mission? So unterschiedlich wie die Menschen, die sich in den Kostümen verbergen. Zetaman verteilt in Portland Lebensmittel an Obdachlose. Lucid und die drei anderen Superhelden der New York Initiative versuchen in Brooklyn tätliche Angriffe auf Randgruppen zu verhindern. In Orlando verteilt Master Legend zu Weihnachten Spielzeug, während sich Lion Heart aus Liberia für sauberes Wasser in Afrika einsetzt. Warum sie das tun? Weil sie überzeugt sind: wir brauchen wieder Helden!

Aber wer ist überhaupt ein Held? Glaubt man Superman oder Batman oder wie auch immer die Helden in Film und Comic heißen, dann ist ein Held einer, der für das Gute eintritt und gegen das Böse kämpft. So ein Supermann ist praktisch unverletzbar und deshalb auch letztlich unbesiegbar.

Und es gibt immer eine Geschichte dazu, warum er mit solchen besonderen Kräften ausgestattet ist. Dann kommt noch die perfekte futuristische Ausrüstung hinzu: ein Umhang, mit dem der Held fliegen kann, ein Anzug, der ihn vor Kugeln, Feuer und anderen Gefahren schützt, Handschuhe und Stiefel, die ihn jedes Hindernis überwinden lassen. Wer so einen Superheld an seiner Seite hat, dem kann eigentlich nichts mehr passieren. Und wer sich so jemanden zum Vorbild nimmt, der steht auf der Seite des Guten. Immer!

Auch im heutigen Predigttext aus dem Buch des Propheten Jesaja wird die Geschichte eines ganz besonderen Menschen erzählt. In 42. Kapitel schreibt Jesaja:

Siehe, das ist mein Knecht, den ich halte, und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen. 2 Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen. 3 Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus. 4 Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung.

 

Meine lieben Brüder und Schwestern, auch dieser „Held“ der Bibel tritt für die Entrechteten ein und kämpft gegen das Böse. „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, den klimmenden Docht wird er nicht auslöschen“, so beschreibt ihn Jesaja. Das ist eine sehr blumige Sprache, aber wir können uns wohl gut vorstellen, was damit gemeint ist: Menschen, die geknickt sind, die durch eine schreckliche Erfahrung in ihrem Leben einen Knacks weg haben. Menschen, die von der Arbeit, ihren Lebensumständen oder was auch immer so erschöpft sind, dass sie nicht mehr mithalten können. Auf dem Schulhof heißen sie „du, Opfer!“ Im Büro „der Looser“ , in der Beziehung „das Weichei“. Für diese Menschen ergreift der Held der Bibel Partei.

In einer Gesellschaft, wo man stark sein muss, um sich durchsetzen zu können, wo man schön und immer gut drauf sein muss, ist das eine mutige Tat. Aber: dieser Held hat keine Superkräfte, keine kugelsichere Weste, die ihn beschützt. Er macht auch nicht mit bunten Kostümen auf sich aufmerksam. Mit Sanft-mut und in aller Stille vollbringt er Großes.

„Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen“, schreibt der Prophet Jesaja an seine Zeitgenossen.

Denen ging es gar nicht gut. Sie waren im Exil. Eine Minderheit in einem fremden Land – ohne Rechte, ohne Zukunft. Jetzt sind sie zwar wieder zurück in ihrer Heimat, aber da geht auch alles drunter und drüber. Überleben tut da nur, wer stark ist und was zu sagen hat. Sehnlichst erwarten sie den Superhelden, den Messias, der auf Wolkenwagen mit einem gewaltigen Engelheer von Himmel herabkommt und mal so richtig aufräumt. Der die Verhältnisse ordnet und Gerechtigkeit schafft.

Aber statt diese Geschichte auszumalen und den Messias noch mit einem großen goldenen Schwert auszustatten, erzählt der Prophet lieber von einem Menschen, der genauso viel Kraft hat wie jeder andere Mensch, der genauso verwundbar, schwach ist wie wir alle. Einer aber, der dennoch oder gerade deswegen mutig ist und für die eintritt, die keine Chance haben, die noch schwächer und verletzbarer sind. Einer, der die Hackordnung seiner Gesellschaft gründlich durcheinanderbringt. Ein echter Held also!

Die ersten Christen haben diese verrückte Heldengeschichte des Propheten Jesaja auf Jesus bezogen. Sie haben mit eigenen Augen gesehen, wie er gelebt hat, was er getan hat, wie er sich mit den Obrigkeiten angelegt und für die Armen und Ausgestoßen Partei ergriffen hat. Sie haben gehört, wie er Petrus zurechtwies, weil dieser ihn mit dem Schwert verteidigen wollte. „Steck es wieder zurück!“ hat er gesagt. „Gewalt schafft keinen Frieden!“ Und als sie nach seinem Tod darüber rätseln, wer dieser Jesus war, mit dem sie jahrelang durch die Städte und Dörfer gezogen sind, da sind ihnen wohl die Worte des Propheten wieder eingefallen: „Ja! Jesus ist der, den Jesaja vor Augen hatte. Er ist der „Held“, der Messias, den Gott uns geschickt hat.

Und wir sollen ihn uns zum Vorbild nehmen. Wir sollen sein wie er. Echte Real life superheroes also! Helden des Alltags! Helden, die auf den ersten Blick keine besondere Kräfte und auch keinen Anzug haben, der sie vor Gefahren schützen könnte.

Und doch haben schon die ersten Christen geglaubt, dass sie durch Jesus gestärkt sind. Und Sie haben das in ein schönes Bild gebracht: „Wir haben in der Taufe Christus wie ein Gewand, wie einen Mantel angezogen,“ sagen sie.

Wieder so ein Bild, das uns vielleicht erst einmal fremd ist, aber eigentlich doch sehr nahe. Denn es ist zunächst einmal eine sehr alltägliche Erfahrung.

Was gibt es Besseres, als einen lieben Menschen um sich zu haben, Vater und Mutter, die für uns da sind, eine Partnerin, einen Partner, der uns gut ist, Freunde, auf die wir uns verlassen können. Mit ihnen kann man sich so geborgen fühlen, wie in einer dicken Daunenjacke mitten im kältesten Winter.

Und diese Erfahrung haben alle, die ihm nahe waren, mit Jesus gemacht. Und mehr noch: Sie haben gespürt: mit ihm und durch ihn sind wir stark auch dann, wenn wir schwach sind. Selbst der Tod verliert mit ihm seinen Schrecken. Denn durch ihn haben wir Zukunft auch dann, wenn wir keinen Ausweg mehr wissen.

Das Material also, aus dem der Christusmantel, unser Heldenmantel also ist, ist gewebt aus Sanftmut und Liebe, aus Zukunft und Vertrauen. Wenn wir uns in ihm bewegen, dann sind wir behütet und gesegnet, was auch passiert.

Die Liebe macht uns zwar erst einmal noch verletzbarer, weil nun nicht mehr nur das eigene Leid weh tut, sondern auch das des anderen. Aber dann verleiht sie Flügel. Und der Glaube, dass wir geliebt werden, was auch geschieht, ist der beste Mantel, den man sich vorstellen kann. Wer das glaubt, ist nicht klein zu kriegen. Der geht aufrecht, auch wenn er hinkt. Der ist mutig, auch wenn er Angst hat. Der sieht eine Zukunft für sich und die Welt, auch wo kein Ausweg in Sicht ist.

Der Apostel Paulus hat das einmal in ein ganz schönes Bild gebracht. Den Christen in Thessaloniki, die wegen ihren Glaubens in ihrer Gesellschaft gemobbt und verfolgt werden, schreibt er: „Wir aber wollen den Helm der Hoffnung und den Panzer des Glaubens und der Liebe anziehen!“

Na, wenn das kein Superheldenoutfit ist! Sicher eins, das uns immer etwas zu groß sein wird, und in das wir im Laufe unseres Lebens Stück für Stück noch hineinwachsen müssen. Das aber extra für uns gemacht ist!

Die Vorbereitung auf die Konfirmation, liebe angehende Konfirmanden, ist eine solche Gelegenheit, dieses Outfit auszuprobieren. Denn Ihr habt es schon seit Eurer Taufe an. Da habt Ihr wie Jesus den Geist Gottes empfangen, seine Liebe also, die Euch einhüllt und wärmt, wie ein ganz warmer Mantel im Winter.

In dem Wort Konfirmation steckt das Wort „firm“. Das bedeutet „stark“ „kräftig“. Wir alle hier wünschen Euch, dass Ihr in diesem Sinne Eure Super-Kräfte entdeckt. Jene Kräfte, die Euch von Gott gegeben sind: den Mut des Glaubens, die Kraft der Liebe und der Freundschaft, die Stärke der Wahrheit und der Aufrichtigkeit, den aufrechten Gang eines Real-life-Heroes.

Und wir wünschen Euch, dass Ihr lernt sie einzusetzen für die, die Euch brauchen. Damit die Welt besser wird, heller, freundlicher, gerechter.

Ihr seid damit nicht allein. Ihr habt Euren Platz unter denen, die mit Jesus zusammen von einer Welt träumen, in der alle in Frieden miteinander leben. Und die sich dafür einsetzen, dass jeder genug zum Leben hat und keiner alleine ist, wenn es dunkel wird.

Diese Träumer sind die Real- Life-Heroes, die eigentlichen Helden. Und zu diesen Träumern gehört auch Ihr. Wenn ich Euch so vor mir sehe, weiß ich das einfach. Und ich wünsche Euch und uns allen von Herzen den Mut des Glaubens dazu.

Amen

 

 

 

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