Meine lieben Brüder und Schwestern!
ich habe mit den Kofis in der vergangenen Woche darüber diskutiert, ob es eigentlich einen Unterschied macht, an Gott zu glauben oder nicht.
Ich hatte dafür ein Arbeitsblatt kopiert, auf dem sich folgende etwas sperrige Antwort: „Wenn du zu dem Schluss kommst, dass es keine Gott gibt, dann wirst du dein Leben nach deinen eigenen Vorstellungen und Überzeugungen gestalten; du selbst bist das Maß aller Dinge, dein Gewissen und deine eigenen Wertvorstellungen sind die Leitplanken, innerhalb derer dein Leben sich bewegt. Klingt das attraktiv? Vielleicht. Doch sollte dir klar sein: Wenn es keinen Gott gibt, dann gibt es kein Gut und Böse, denn wer sollte das verbindlich festlegen?“
Wir waren schnell einig, dass uns diese Antwort nicht wirklich überzeugt. Gott ist doch mehr als eine übergeordnete moralische Instanz, die uns in die Schranken weist, wenn wir über die Stränge schlagen.
Aber worin zeigt sich dann der Unterschied zwischen einem Leben mit Gott und einem ohne? Die jungen Leute haben sich darüber erstaunlich wach den Kopf zerbrochen.
Denn das ist ja sein Menschengedenken immer und immer wieder dieselbe Frage. Mit Gott zu leben, ist ja gar nicht so selbstverständlich. Und heute verliert selbst die Frage nach ihm an Gewicht.
Für viele, wenn nicht sogar mittlerweile für die meisten, ist schon die Frage nach Gott so unwichtig geworden, dass sie noch nicht mal dagegen sind. Er sagt ihnen einfach nichts mehr. Es lebt sich sowieso besser ohne ihn. Und wenn die Frage nach Gott doch einmal in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerät, dann wird sie entweder als Überbleibsel von gestern milde belächelt oder oft sogar radikalisiert.
Und auch wenn ich so auf mein eigenes Leben schaue, frage ich mich schon auch immer wieder einmal, wann und worin sich Gott mir wirklich zeigt. Und welchen Unterschied es für mich und meine Umwelt macht, dass ich an ihn glaube oder nicht.
Schon besser gefiel den Konfirmanden und mir daher der folgenden Satz des eingangs erwähnten Arbeitsblattes: „Wenn es keinen Gott gibt, gibt es keine wirkliche Hoffnung. Und jeder Mensch ist dann letztlich nur eine Art sinnlos im All umhertreibender Klumpen Atome…“
Diese Antwort überzeugte uns sehr. Wer an Gott glaubt, lebt mit Zukunft im Herzen. Als sterbliche Wesen, die wir ja nun mal sind, haben wir eigentlich im Letzten keine Zukunft. Denn mit dem Tod ist doch alles aus. Erst im Glauben an Gott, erschließt sich uns Zukunft. Und wo wir ohne ihn leben, haben wir die nicht!
Und wenn wir uns einmal umschauen, wie wir hier alle so leben mit unseren Supermärkten, dem Überangebot an Gütern und dem wahnsinnigen Verbrauch an Rohstoffen, um nur einige Beispiele für unsere Lebensstil zu nennen, dann kann man schon fragen, ob es wirklich ein Morgen gibt und wie das dann aussehen würde.
Wie ein Wiederhall auf das Nachdenken mit den Konfis erschien mir da der heutige Predigttext aus dem ersten Petrusbrief. Auch Petrus beschäftigt sich mit der Frage, was ein christliches Leben ausmacht, worin also der Unterschied besteht, mit Gott zu leben statt ohne ihn. Die Christen in Kleinasien, an die er seinen Brief richtet, leben auch in einer Gesellschaft, in der der Glaube an den lebendigen Gott nicht selbstverständlich ist. Im Gegenteil. Sie werden wegen ihres Glaubens sogar angefeindet, an den Rand gedrängt, ja, sogar verfolgt. Petrus will ihnen Mut machen, dennoch daran festzuhalten, und führt ihnen nochmal vor Augen, was das für sie bedeuten kann. Gleich im ersten Kapitel, das der Predigttext für heute ist, gibt er ihnen und uns folgenden Rat mit auf den Weg:
Darum umgürtet eure Lenden und stärkt euren Verstand, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch dargeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi. 14 Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den Begierden hin, in denen ihr früher in eurer Unwissenheit lebtet; 15 sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen
Wandel. 16 Denn es steht geschrieben (3. Mose 19,2): »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.« 17 Und da ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem Werk, so führt euer Leben in Gottesfurcht, solange ihr hier in der Fremde weilt; 18 denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, 19 sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. 20 Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt war, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen, 21 die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit gegeben hat, sodass ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.
Meine lieben Brüder und Schwestern, „aus dem heutigen Predigttext könnte man drei machen,“ schrieb einer aus unserer WhatsApp Bibelgruppe leise seufzend, als ich letzten Montag den Text rumschickte. Und es ist ja wirklich so. In diesen wenigen Versen sind so viele Gedanken verpackt, dass es gut ist, wenn wir sie uns der Reihe nach und mit Ruhe einmal anschauen, um den roten Faden darin zu finden und zu folgen:
„Darum umgürtet eure Lenden und stärkt euren Verstand, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch dargeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi,“ so lautet der erste Rat, den Petrus uns mitgibt.
Aufbruchsstimmung ist hier angesagt. Ganz bildlich bringt der Apostel das für seine Zuhörer damals zum Ausdruck.
Denn zu seiner Zeit trug man Untergewänder, die so lang waren, dass man sie mit einem Gürtel hochraffen musste, um besser und schneller laufen und handeln zu können. Wenn Petrus auch uns heute dazu auffordert, dann sagt er, salopp formuliert: „Runter vom Sofa! Bewegt Euch! Aber nicht ohne Sinn und Verstand, sondern überlegt, was Ihr tut. Lasst euch nicht irre machen von Fake News und Populisten, sondern tretet einen Schritt zurück, bildet Euch Euer eigenes Urteil! Und das könnt Ihr,“ sagt Petrus, „wenn Ihr Eure Hoffnung ganz auf die Gnade setzt, die ihr mit Jesus vor Augen habt.“
Was ist das aber für eine Gnade, liebe Brüder und Schwestern?
Es ist doch die Gnade, dass wir Zukunft haben, eine Zukunft, die der Tod nicht nehmen kann. Und gibt uns die nicht die Gelassenheit, die wir brauchen, um unsere Welt, wie sie ist, nüchtern zu betrachten und wach, also mit offenen Augen uns in ihr zu bewegen? Gibt uns das nicht die Energie und den Mut, aufzustehen und loszugehen? Denn mit dieser Zukunft im Herzen, hält uns doch nichts mehr auf dem Sofa.
Müssten wir dann nicht voller Vorfreude sein und alles tun, damit sie endlich Wirklichkeit wird? Und wo immer wir jemanden zum Lächeln bringen, trösten, liebhaben, verzeihen, aufrichten, da eröffnen wir doch Zukunft. Da ist sie doch schon! Da hat sie doch schon längst begonnen – mitten in unserem Leben.
„Gebt Euch als gehorsame Kinder nicht den Begierden hin, in denen ihr früher in eurer Unwissenheit lebtet,“ rät Petrus.
Der Rat „gehorsame Kinder“ zu sein, klingt in der deutschen Übersetzung leider etwas infantil. Es geht dem Apostel hier aber einzig und allein um das Hören. Wir sollen Menschen sein, die gut und genau hinhören. Denn nur der, der zuhört, kann auch Antwort geben.
Und es lohnt sich in diesem Zusammenhang mal darüber nachzudenken, mit wem ich mir was zu sage habe, und von wem ich mir etwas sagen lasse. Auch das ist nämlich die Haltung der Offenheit, die wir brauchen, um uns auf den hin auszurichten, der uns da im anderen entgegenkommt, der da auf uns zukommt, der unsere Zukunft ist.
Denn „wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel.“
Was aber heißt das, liebe Brüder und Schwestern, was heißt das, heilig sein? Wir Protestanten tun uns ja bekanntlich etwas schwer mit diesem Begriff. Wir überlassen das gerne den Katholiken. Dabei bekennen auch wir uns an jedem Sonntag zur Gemeinschaft der Heiligen.
Petrus ist das Wort „heilig“ aber ganz wichtig. Immer wieder spricht er in seinen Briefen davon. Im Griechischen steht hier „agios“ und das kommt vom Wort „scheiden“, „unterscheiden“; und zwar im Unterschied zum Profanen, zum Weltlichen. Und weil Gott der ganz andere ist, ist er der Heilige schlechthin. Und wer zu ihm gehört, ist eben auch heilig. Denn Gott macht den Unterschied! Sonst niemand!
Er ist unser Heil. Und was heißt das? Er macht uns ganz. Er hält uns zusammen auch da, wo wir nur noch Bruchstücke sehen. Unser Leben bricht mit dem Tod nicht ab. Gott trägt uns da hindurch. Wir haben nichts zu verlieren. Wir brauchen keine Angst mehr zu haben, zu kurz zu kommen oder zu scheitern. Wir müssen nicht mehr weiter alles zusammen raffen, was wir kriegen können, als ob es kein Morgen gibt.
Denn nochmal: Gott schenkt uns Zukunft. Er allein ist unsere Zukunft. Denn er ist nah, ganz nah bei uns.
Und Jesus wird nicht müde, uns das immer wieder einzuschärfen. Und auch seine harten Worte im heutigen Evangelium machen das deutlich: Schaut nicht zurück! Schaut nach vorne! Bleibt nicht zurück! Bewegt Euch in meine Richtung! Ich bringe Euch das Heil doch. Kommt! Denn Gott ist nahe!
Und Jesus ruft uns immer wieder zu, uns neu daraufhin auszurichten – auf ihn, der da kommt. Heilig also sind jene, die Seine Zukunft im Herzen haben und sich nicht davon abbringen lassen.
Was aber gibt uns diese Zuversicht? Wenn wir in unsere Welt schauen und all diese Kriege sehen, das Leid, die Umweltzerstörung, die Gewalt, den Hass, dieser ganze Irrsinn, dann kann es einem doch nur angst und bange werden. Was soll da noch kommen? Wie kann es da Zukunft geben, und zwar für uns alle? Behält nicht der Tod doch das letzte Wort?
Der Apostel hat auch darauf eine Antwort: „Ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid, sondern mit dem teuren Blut Christi,“ schreibt er.
„Einen sah ich sterbend in das Leben gehen, um ihm will ich glauben, dass wir auferstehen“ so formuliert der katholische Priester und Dichter Lothar Zenetti etwas moderner diese österliche Botschaft. Jesus Christus geht mit uns durch Leiden und Sterben, durch den Tod und die Hölle menschlicher Verlorenheit hinein ins Leben Gottes, das endgültig und ewig ist. Er ist der Grund unseres Glaubens. Ihn an der Seite zu haben, macht den Unterschied, liebe Brüder und Schwestern.
Ich möchte Ihnen zum Schluss die Worte von Lothar Zenetti mitgeben, die, wie ich finde, auch eine Antwort sind:
Niemand weiß, wie lange werden wir noch sein,
morgen oder heute holt der Tod uns ein.
Keiner kann uns helfen, jeder stirbt allein,
und es bleibt am Ende nur ein Grab, ein Stein. Alle unsre Namen wird der Wind verwehn,
oder ruft uns einer, dass wir fortbestehn?
Kann es sein, dass Gott uns einst vom Tod befreit und in Freude wandelt alles Menschenleid?
Ob wir dann wie Kinder vor dem Vater stehn
und mit neuen Augen seine Wunder sehn?
Oder sind das Träume, die wir uns erdacht?
Wer von uns ist jemals aus dem Tod erwacht?
Einen sah ich sterbend in das Leben gehn, und ihm will ich glauben, dass wir auferstehn.
Meine lieben Brüder und Schwestern, „occuli“ heißt der heutige Sonntag in der Sprache der Kirche. „Augen auf!“ so könnte man das übersetzen.
Gott gebe uns diese neuen Augen, um ihn zu sehen, der unsere Zukunft ist. Gott gebe uns den Mut, ihn in unser Leben zu lassen, damit er es vom Kopf auf die Füße stellt, und wir endlich begreifen, wie frei und wie heil wir durch ihn und seine Liebe sind. Wenn wir auf ihn schauen, dürfen wir leben ohne Angst. Denn in ihm gibt es ein Morgen für uns und für unsere Welt. Hier und dort. Und das, liebe Brüder und Schwestern, das ist doch der Unterschied.
Amen