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26 April
Sonntag, den 26.04.2020 09:30 Uhr Friedenskirche

Kirche daheim

1 Petr 2,21b-25

Liebe Brüder und Schwestern, der Schmerz sitzt tief! Als am Mittwoch nach Ostern die Bundesregierung die ersten Lockerungen des so genannten Shutdown verkündet hat, waren wir nicht dabei. Auch in den nächsten Wochen werden wir also in unseren Kirchen keine Gottesdienste feiern können. Das tut weh! Und es ist für viele Gläubige noch dazu Salz in der Wunde, dass die Autohäuser aber sehr wohl öffnen dürfen. „Sind unsere Gottesdienst nicht wichtiger als Autohäuser?“ fragen die einen. „Wo bleibt unsere Religionsfreiheit“, klagen die anderen. Viele sehnen sich danach, endlich wieder zusammen beten und singen zu dürfen. Sind wir denn wirklich schon soweit uns das zuzutrauen? Ist es nicht wirklich noch besser zu warten, um kein Risiko einzugehen und womöglich alle Lockerungen aufs Spiel zu setzen?
Gott sei Dank, liebe Brüder und Schwestern, haben wir hier in der Friedenskirche einen Weg gefunden, wie wir trotz der uns auferlegten Distanz als Gemeinde am Sonntag für Sonntag zusammenkommen. Natürlich ist es viel schöner, wenn wir uns endlich wieder sehen und nicht nur in der Kirchenbank, sondern auch danach beim Kaffee im Foyer zusammensitzen können. Aber wir bleiben wenigstens, bis das wieder möglich wird, in der Leitung und sind ja auch darüber hinaus miteinander verknüpft und verwoben. Hilft das nicht wenigstens ein klein wenig, die Geduld nicht zu verlieren? Denn die brauchen wir doch jetzt vor allem. Auch wenn die für uns lebenswichtigen Einschränkungen noch so weh tun, ist jetzt das Einzige, was wirklich zählt, dass wir aufeinander achten, uns gut sind und alles tun und lassen, um jene zu schützen, die unsere Rücksicht ganz besonders brauchen.
Liebe Brüder und Schwestern, als ich den Predigttext für den heutigen Sonntag las, war ich kurz davor, einfach einen anderen zu nehmen. Denn ich war auf der Suche nach Trost. Nach einem Trost, der uns das Herz ein bisschen leichter machen und in diesen Tagen, in denen wir zwischen Aufbruchsstimmung und Sorge hin- und hergerissen sind, Wegweisung geben kann. „Was um Himmels willen hat das, was Petrus da schreibt, mit uns heute zu tun?“ habe ich mich gefragt. Aber seine Worte ließen mich einfach nicht los. Und ich bin im Laufe der Woche immer wieder zu ihnen zurückgegangen, bis ich schließlich doch verstanden habe, wie sehr sie uns auch heute trösten können.
Und so hören wir den Apostel Petrus, wie er nicht nur den Gemeinden damals, sondern auch uns jetzt schreibt:
Denn dazu seid Ihr berufen. Christus hat ja für euch gelitten und hat euch damit ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgen könnt. Er hat keine Sünde begangen, und in seinem Mund war kein trügerisches Wort. Er wurde geschmäht, schmähte selbst aber nicht. Er litt, drohte aber nicht, sondern überließ seine Sache dem gerechten Richter. Christus hat unsere Sünden auf sich genommen und sie selbst zum Kreuz hinaufgetragen. Das bedeutet, dass wir für die Sünde tot sind und jetzt leben können, wie es Gott gefällt.
Ja, durch seine Wunden seid ihr geheilt. Ihr wart umhergeirrt wie Schafe, die sich verlaufen haben; aber Ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Beschützer eurer Seelen.
Liebe Brüder und Schwestern, es geht um unsere Berufung als Christen. Um nicht mehr und nicht weniger. Berufung ist ja so ein großes Wort. Tatsächlich steht hier im Griechischen: „Dazu seid Ihr herausgerufen worden!“ Und dahinter steht die alte biblische Vorstellung, dass Gott sich Israel aus den Völkern erwählt hat, um zu zeigen, wie viel wir Menschen ihm ausnahmslos alle bedeuten. Und wir, die wir den Spuren Jesu folgen, sind ebenso herausgerufen, um mit Jesus zusammen vom himmlischen Vater und seiner Liebe Zeugnis zu geben.
Wir gehören zu ihm, liebe Brüder und Schwestern. Nichts kann uns von ihm trennen. Und was uns im Leben auch widerfahren mag, und wie zerrissen wir uns manchmal auch fühlen mögen, immer gilt: „Durch seine Wunden seid ihr geheilt!“ Das heißt, wir sind auch im Leid, im Schmerz und im Kummer nicht allein. Da ist immer jener bei uns, der uns vorangegangen ist, auch in der Dunkelheit. Und dieser Glaube macht uns frei, jeden Augenblick die Liebe zu leben. Denn wir sind auch in der schlimmsten Stunde nicht hilflos und allein.
Unsere Berufung bewährt sich in all den vielen Situationen unseres Lebens, wo wir gekränkt sind, wo wir geschmäht werden, wo wir uns übersehen fühlen, wo wir leiden. Und sie bewährt sich auch heute in unserem Kummer, Abstand voneinander halten zu müssen und vorerst keine Gottesdienste zusammen in der Friedenskirche feiern zu dürfen.
Liebe Brüder und Schwestern, die Frage ist nämlich nicht, ob Gottesdienste wichtiger sind als Autohäuser, sondern wie wir die Liebe zum Nächsten leben können. Nicht unsere Religionsfreiheit steht auf dem Spiel, sondern die Freiheit dieser Liebe. Und die zeigt sich darin, alles daran zu setzen, um die anderen zu behüten, und um damit von jenem Zeugnis zu geben, den wir den Hüter unseres Lebens nennen. Diese Liebe ist unser Gottesdienst, liebe Brüder und Schwestern. Und wenn wir dann den Spuren Jesu folgen, hören wir ihn doch, wie er immer wieder sagt, der Sabbat ist für den Menschen da , und nicht der Mensch für den Sabbat. Gott möchte, dass wir leben, lieben und uns helfen, und meint damit jeden Tag.
Liebe Brüder und Schwestern, so schlimm diese Wochen auch sind, und sie sind wirklich schlimm. Wir brauchen jetzt alle viel Geduld. Aber sie sind auch eine Gelegenheit, die Fußstapfen Jesu in unserer Welt zu entdecken und ihnen einfach zu folgen. Wir begegnen seinen Fußstapfen doch dauernd: in der jungen Mutter, die ihr Baby eng an sich gewickelt vor sich her trägt und fröhlich ruft „sie können ruhig mal schauen!“. In dem 20 Jährigen, der als letztes eine Tafel Schokolade auf das Supermarktband legt und freundlich zu der Kassiererin sagt „die ist für Sie!“ In dem dem Weißhaarigen auf dem Balkon, der konzertreif vor sich hinflötet… und… und…und.
Ich hoffe für uns alle, dass auch wir am Ende erfahren, was Petrus und seine Gemeinde erlebt haben, nämlich dass wir in unserem alles andere als alltäglichen Alltag jenem auf die Spur kommen, der unser Hirte und Beschützer unserer Seelen ist, und dass wir in dieser Freiheit alles tun, was Gott gefällt und dem Leben dient.
In den sozialen Netzwerken, liebe Brüder und Schwestern, kursiert ein Cartoon, der mit einem breiten Lächeln wunderbar auf den Punkt bringt, was wir jetzt vielleicht entdecken könnten. Da beugen sich der Teufel und der liebe Gott über die Erdkugel. Und der Teufel sagt: „Ha, ich hab alle Deine Kirchen zugemacht!“ Daraufhin antwortet Gott: „Wieso? Ich hab doch gerade erst in jedem Haus eine aufgemacht!“
Kirche, liebe Brüder und Schwestern, ist dort, wo Menschen sich um den Herrn versammeln. Und vielleicht ist es heute für uns Christenmenschen an der Zeit, wieder einmal darüber nachzudenken, wo wir ihn überall finden können. Und dann, da bin ich ganz sicher, wird uns die Zeit nicht zu lang bis zu jenem fröhlichen Fest, das wir feiern werden, wenn sich die Türen unserer Friedenskirche endlich wieder öffnen dürfen, wir uns endlich wiedersehen, zusammenstehen, beten und aus vollem Herzen mit- und nebeneinander singen können.
Bis dahin, liebe Brüder und Schwestern, bleiben wir auf andere Weise verbunden. In seinem Namen, der uns versprochen hat, bei uns zu sein, wo immer wir nach ihm rufen. Er sieht und hört uns überall! Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Wir freuen uns auf Ihren Besuch in der Friedenskirche in Offenbach am Main.