Angst in Gewissheit verwandeln

Angst in Gewissheit verwandeln

Angst in Gewissheit verwandeln

# Predigt

Angst in Gewissheit verwandeln

Predigtbeginn von Henri Lias Laps

Liebe Gemeinde, 

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im vierten Kapitel des Johannesevangeliums, Verse 5 bis 15. Er erzählt das Weinwunder bei der Hochzeit zu Kana. Ich lese den Text vor:

"Da kam er in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gegeben hatte. Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus von der Reise müde war, setzte er sich an den Brunnen; es war um die sechste Stunde. 

Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: „Gib mir zu trinken!“ Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Speise zu kaufen. 

Da spricht die samaritische Frau zu ihm: „Wie, du, ein Jude, erbittest etwas zu trinken von mir, einer samaritischen Frau?“ Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. 

Jesus antwortete und sprach zu ihr: „Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: ‚Gib mir zu trinken!‘, du bätest ihn, und er gäbe dir lebendiges Wasser.“ Spricht zu ihm die Frau: „Herr, du hast doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du denn lebendiges Wasser? Bist du etwa mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Söhne und sein Vieh.“ 

Jesus antwortete und sprach zu ihr: „Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.“ 

Spricht die Frau zu ihm: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen!“ 


Jesus und seine Jünger wollen von Judäa nach Galiläa ziehen, weshalb sie durch das Land der Samariter gehen müssen. Bei dem Ort Sychar machen sie eine Pause. Die Jünger trennen sich von Jesus, um Essen zu kaufen und Jesus bleibt an einem Brunnen stehen, der Jakobsbrunnen genannt wird. 

Da kommt eine Samariterin zu ihm, die Wasser aus dem Brunnen schöpfen möchte. Die Juden scheuen eigentlich allen Kontakt zu Samaritern, weswegen die Frau sehr verwirrt ist, als Jesus sie nach etwas Wasser fragt. 

Er sagt ihr daraufhin, wenn sie ihn erkennen würde, würde sie ihn nach Wasser bitten und er gäbe ihr lebendiges Wasser, das sie nie wieder dürsten lässt, denn es wird in ihr zu einer Quelle.

Aber was ist dieses lebendige Wasser, das Jesus ihr geben kann? Drei Kapitel weiter im Evangelium von Johannes spricht Jesus wieder von einer inneren Quelle und es steht „Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht".  

Jesus meint also den Heiligen Geist, der eine Quelle hervorruft – bis zum ewigen Leben, und zwar bei dem der an Jesus glaubt.

Kein Mensch wird als Christ geboren. Kein Neugeborenes glaubt an Jesus oder kennt das Evangelium. Sondern die Taufe macht Menschen zu Christen. 

Wenn wir „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ taufen, dann schickt Jesus den Heiligen Geist zu dem Getauften. Er gibt ihm das lebendige Wasser, das ihm den Durst bis zum ewigen Leben nimmt und dann entsteht in ihm eine Quelle, aus der immer mehr Wasser hervorkommt. Daraus folgen dann die guten Taten, die aus dem Glauben kommen. Und der Mensch bleibt bei Jesus bis zu seinem Tod und im ewigen Leben.


Predigtfortsetzung von Pfr. Burkhard Weitz

Lieber Henri, 

vielen Dank für deine Erklärung zum biblischen Text. Du hast uns erklärt, dass dieser Predigttext zwei Ebenen hat. 

Jesus bittet die samaritische Frau um etwas zu trinken. Sie ist verwirrt, dass ein Jude wie Jesus sie überhaupt anspricht. Und Jesus lenkt in seiner Antwort das Gespräch gleich auf die andere Ebene. Er sagt der Frau: Hätte sie ihn erkannt, hätte sie also nicht irgendeinen Menschen jüdischen Glaubens in ihm gesehen, sondern den Messias. Und dann hätte sie ihn um Wasser gebeten, und zwar um lebendiges Wasser.  

Und, ja, ich sehe es wie du, Henri, Jesus meint hier das Wasser der Taufe. Die Samariterin hätte Jesus um das Wasser gebeten, mit dem wir eben Aida Ghalami getauft haben. Das Wasser, mit dem Gott Aida Ghalami verheißen hat, dass er in Ewigkeit an ihr festhalten will, dass er sie halten und durchs Leben tragen will – und dass sie sich ganz auf IHN werfen kann, ganz auf IHN verlassen kann. 

Aber die samaritische Frau merkt nicht, dass Jesus vom lebendigen Wasser der Taufe spricht. Sie denkt, Jesus meint mit dem lebendigen Wasser das sprudelnde Wasser der Quelle. Sprudelndes, fließendes Wasser nennt man ja auch „lebendiges Wasser“. Und deshalb macht sie Jesus darauf aufmerksam, dass er ja gar keinen Schöpfeimer hat, um Brunnenwasser zu sich hochzuziehen.

Jesus antwortet wieder auf der anderen Ebene. Er sagt der Frau, es gehe ihm nicht um das Brunnenwasser, von dem einem Menschen wieder durstig wird. Sondern es gehe ihm um Wasser, das man einmal zu sich nimmt, damit einem nie wieder danach dürstet. 

Denn so ist ja die Taufe: Ich werde einmal getauft, und ich kann mich im Leben und im Sterben darauf berufen, dass ich von nun an mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir, sondern ganz meinem getreuen Heiland Jesus Christus angehöre. So lernen wir es im Heidelberger Katechismus, der in unseren Gesangbüchern unter der Nummer 807 abgedruckt ist. 

Dort steht: Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? - Antwort: Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre.

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Wieder versteht die Frau nicht. Und sie sagt: „So ein Wasser, das auf immer den Durst stillt, hätte sie auch gerne. Dann muss ich nicht immer zum Brunnen laufen.“ Und sie bittet Jesus, es ihr zu geben. Dieses Missverständnis durchzieht das ganze Gespräch. Die samaritische Frau redet von weltlichen Dingen, Jesus aber von geistlichen Dingen. 

Das Gespräch geht dann weiter, aber das gehört nicht mehr zu unserem Predigttext. Jesus offenbart sich der Frau als jemand, der alles über ihr Leben weiß. Und er sagt ihr direkt ins Gesicht, dass er der Messias sei. Dann lässt sie ihren Wasserkrug stehen, läuft sie davon und erzählt den Leuten in der Stadt, sie habe den Messias gesehen. 

Für uns ist aber jetzt, in diesem Augenblick, der Abschnitt des Gesprächs entscheidend, den du, Henri, eben vorgelesen hast. Den Abschnitt, in dem diese beiden Ebenen deutlich werden: die einfache weltliche Ebene, und die hintergründige geistliche Ebene. 

Und nun müssen wir uns überlegen: Worin besteht für uns der Unterschied zwischen diesen beiden Ebenen? 

Ich kann das am einfachsten erklären mit einer Begebenheit, die sich gestern zugetragen hat. Die Jugendlichen aus der koptisch-orthodoxen und die friedliche evangelische Jugend aus Offenbach haben gestern gemeinsam den Gottesdienst in der koptisch-orthodoxen Sankt Markus Kirche besucht. Und wir haben anschließend die koptisch-orthodoxe Sonntagsschule mitgemacht, also gestern, schon am Samstag-. 

Die koptische Sonntagsschullehrerin hat gefragt: Was ist für euch Angst? Und was könnt ihr dagegen tun? Von dem, worüber ihr Jugendliche dann gesprochen habt, war ich ganz beeindruckt. Und ich muss eure Worte nur auszugsweise wiedergeben. Denn ich glaube, in eurem Gespräch habt ihr deutlich gemacht, dass ihr den Unterschied zwischen weltlich und geistlich sehr gut versteht. 

Angst, so habt ihr gesagt, ist Unsicherheit. Wenn man nicht weiß, was auf einen zukommt, und man sich irgendwie bedroht oder gefährdet fühlt. Das ist teils begründet durch Dinge, die einen tatsächlich bedrohen, manchmal auch nur abstrakt bedrohen. Menschen, die schlecht über einen reden, Politiker die schlecht über ganze Menschengruppen reden. 

Angst kann auch aus der Sorge um die Zukunft erwachsen: Was wird aus mir? Jemand auch hat gesagt, diese Sorge um die Zukunft verlässt einen nie, auch wenn man alles im Leben erreicht zu haben scheint: einen Beruf, eine Familie, einen Freundeskreis. 

Was man kann gegen diese Angst tun? Die Antworten kamen aus eurem Kreis, und ich war beeindruckt. 

Manchmal kann man sich klarmachen, dass es keinen Grund gibt, Angst zu haben. Dass das, wovor ich Angst habe, gar nicht so schlimm ist, wie ich mir das ausmale. Sich informieren hilft sicherlich immer. Aber das ist nur die eine Ebene, die schlichte weltliche Ebene.

Denn Angst ist auch etwas, das in mir begründet sein kann: Angst kann mich beherrschen, auch wenn alle anderen sagen: Da ist nichts, wovor du Angst haben musst; alles ist gut. 

Ich muss die Angst auch in mir überwinden. Oder etwas muss die Angst in mir überwinden. Oder: Jemand muss die Angst in mir überwinden. Und hier haben wir begonnen, die Dinge geistlich zu sehen, hintergründiger. 

Ihr habt gesagt, dass Angst eine Ungewissheit ist, und dass nur eine Gewissheit diese Angst überwinden kann. 

Ihr habt gesagt, dass diese Gewissheit so stark werden kann, dass sie mich auch in Zeiten begleitet, die wirklich beängstigend sind, in Zeiten, die mir das Äußerste abverlangen. 

Ihr habt gesagt, dass man diese Gewissheit daraus schöpfen kann, dass wir mit Jesus Christus einen Begleiter haben, der den Weg des Leides bis zu Ende gegangen ist, und dass wir ihn als einen sehen können, der uns in jedem Elend, das uns treffen kann, schon vorausgegangen ist.

Ich war sehr beeindruckt davon, solche Gedanken aus dem Mund von euch Jugendlichen zu hören. 

Können wir unser Leben auf diese Weise geistlich bestehen – und vor allem, können wir es, wenn es wirklich darauf ankommt? 

 

Liebe Frau G.! Sie haben sich entschlossen, den christlichen Glauben anzunehmen. Wir haben über diesen Jesus von Nazareth gesprochen, über seine Barmherzigkeit, über seine Mahnung, andere nicht zu verurteilen, sondern immer bei sich selbst anzufangen. Heute haben wir über den Christus gesprochen, der uns auch in unseren dunkelsten Stunden begleitet, den wir auch in unseren dunkelsten Stunden nicht aus dem Blick verlieren sollen. Wir haben über den Christus gesprochen, der jeden Weg mit uns mitzugehen bereit ist. 

Ich wünsche Ihnen, liebe Frau G., dass Sie diesen Christus immer bei sich tragen. Dass eine Gewissheit Sie trägt, die alle Ungewissheit überwindet. 

Und ich wünsche das uns allen, dass wir wachsen im Glauben an den einen, der uns in unserer Niedergeschlagenheit und Angst aufrichtet und uns zuspricht: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost / seid gewiss: Ich habe die Welt überwunden.“ Amen. 

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