08/08/2024 0 Kommentare
Jesus über die wahre Religion
Jesus über die wahre Religion
# Predigt
Jesus über die wahre Religion
Liebe Gemeinde,
vergangenen Mittwoch habe ich mich mit Elke Heumann und Petra Glas über den Predigttext für den heutigen Sonntag unterhalten. Und uns dreien ist aufgefallen, wie vieles der Text gedanklich voraussetzt. Es ist gar nicht so einfach, ihn beim ersten Vorlesen zu verstehen, worum es überhaupt geht. Dabei ist die Verständlichkeit des Wortes Gottes doch überhaupt der Anfang von allem.
Das Gespräch mit Elke Heumann und Petra Glas fand nicht zufällig statt. Sondern an jedem Mittwoch, sofern möglich, können sich alle Interessierten in der Friedenskirche zu einem Predigtvorbereitungs-Gespräch treffen. Denen, die kommen, mag es helfen, den Text überhaupt zu verstehen. Mir hilft es, einen Ansatz für die Predigt zu finden.
Am vergangenen Mittwoch sind wir übereingekommen, dass der heutige Predigttext vom Miteinander der Religionen handelt. Dass uns heute, am Geburtstagsfest der Kirche, beschäftigen soll, wie offen wir für den Glauben der Andersgläubigen sein können, sein dürfen oder gar sein sollen. Und dass heute die Predigt klären soll: Müssen wir mit unserer Religion in Konkurrenz zu den Religionen der anderen stehen, weil der eine Glaube den anderen ausschließt – und in Sachen Religion immer nur einer Recht haben kann? Oder können sich Menschen mit unterschiedlichen Religionen vielleicht doch auf einer Ebene treffen?
Und, ganz wichtig: Was würde Jesus dazu sagen?
Tatsächlich sind wir am vergangenen Mittwoch zu dem Schluss gekommen: Der heutige Predigttext bzw. Jesus gibt genau darauf eine Antwort.
Ich will es am Beispiel des Islam erläutern: Jesus gibt keine Antwort darauf, ob der Islam in dieser oder in jener Frage Recht hat. Wohl aber eine Antwort darauf, wie sich Christen und Muslime im Gebet miteinander vereinen können.
Um das zu verstehen, müssen wir uns erst einmal in die Szenerie des Textes begeben. Er spielt in Samarien, das ist in Israel heute die Landschaft zwischen Jerusalem und Galiläa, wo Jesus und seine Jünger herkamen. Zur Zeit Jesu waren die Samaritaner verpönt. Sie galten als Menschen, die vom rechten Glauben abgefallen waren. Als Andersgläubige. Als Menschen, denen man nicht vertrauen kann. Sie galten als die Fremden, die, deren Gedanken man nicht verstand, deren Sitten man missbilligte, deren Umgang man mied. Die Samariter von damals waren für die Juden, was die Muslime für die arrivierten Protestanten von heute sind.
Sie alle kennen den barmherzigen Samariter. Der kommt aus dieser Landschaft. Er ist die Hauptfigur in einem Gleichnis Jesu. Sie kennen das Gleichnis. Jemand fragt Jesus, nach welchem Gebot er leben soll. Und Jesus sagt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Und dieser Jemand fragt nach: Wer ist denn mein Nächster? Und dann erzählt Jesus das Gleichnis von einem, der unter die Räuber fiel und halbtot am Straßenrand liegenblieb. Ein Priester und ein Levit sehen ihn und lassen ihn liegen. Schließlich kommt ein Samariter – ausgerechnet einer aus Samarien, einer mit der falschen Religion. Und ausgerechnet er hilft.
Das Gleichnis sagt: Derjenige ist dem unter die Räuber Gefallenen zum Nächsten geworden, der am Fernsten schien. Und das heißt: Jeder, der deine Hilfe braucht, kann dein Nächster sein. Der Samariter macht es uns vor. Ein Muslim kann es uns ebenfalls vormachen, was wirklich Nächstenliebe ist.
Aber das war noch gar nicht der Predigttext. Sondern unser Predigttext spielt nur in Samarien. Und wenn Sie mehr über die Samaritaner wissen wollen, kann ich Ihnen einen Besuch im Bibelhaus Frankfurt empfehlen. Dort ist eine Ausstellung über die Samaritaner damals und heute. Es leben nämlich noch rund 800 Samaritaner im heutigen Samarien. Sie verstehen sich als Juden. Aber weil sie nicht auch nicht im Jerusalemer Tempel beteten und opferten, sondern bei sich zuhause in Samarien, und das heute auch noch tun, verachteten die Juden sie damals und grenzten sie aus.
Jesus ist dort unterwegs. Er setzt sich an einen Brunnen, aus dessen Tiefe Wasser quillt. Es ist übrigens ein Brunnen, den der Erzvater Jakob gegraben haben soll. Sie erinnern sich: Abraham, Isaak, Jakob, die Urväter Israels.
Eine Samaritanerin kommt herbei, um am Jakobsbrunnen Wasser zu schöpfen. Jesus bittet sie: „Gib mir auch etwas von dem Wasser.“ Die Frau kehrt sich ihm zu und sagt – sicherlich mit einem spöttischen Unterton: „Wie? Du bist doch ein Jude. Und ihr Juden habt mit uns Samaritanern doch nichts zu tun! Meidet ihr uns nicht? Und jetzt willst du Wasser von mir haben?“
Und Jesus antwortet: „Wenn du wüsstest, wer hier mit dir redet: Du würdest mich bitten, und ich gäbe dir sprudelndes bzw. lebendiges Wasser.“
Jetzt ist die Frau erst recht verwirrt. „Du hast doch nichts, womit du Wasser aus dem tiefen Brunnen schöpfen kannst“, sagt sie. Und jetzt spottet sie weiter: „Bist du etwa besser als Jakob, der uns vor langer Zeit diesen Brunnen gemacht und selbst daraus getrunken hat?“
Und Jesus zeigt auf das Brunnenwasser und sagt: „Wer von diesem Wasser trinkt, der wird nach einer Weile wieder durstig sein. Aber das Wasser, das ich dir geben kann, das wird deinen Durst ewig stillen; und du selbst wirst eine Quelle lebendigen Wassers sein.“
Die Frau sagt: „Gib mir von dem Wasser.“ – Es ist nicht ganz klar, ob sie noch immer spottet.
Und Jesus sagt: „Hol erst deinen Mann.“ Sie antwortet: „Ich habe keinen Mann.“ Und Jesus entgegnet: „Stimmt. Du hattest fünf Männer. Und der Mann, den du jetzt hast, ist gar nicht dein Mann.
Jetzt erst bricht die Fassade der spöttischen Samaritanerin in sich zusammen. Nun beginnt das Gespräch wirklich ernsthaft zu werden. Und dieses Gespräch, das Jesus mit der Andersgläubigen führt, mit der, deren Religion man gemeinhin misstraut, mit der Muslimin unserer Tage, mit der Fremden, mit der Anderen, das ist unser Predigttext heute.
„Da sagte die Frau: „Herr, ich sehe: Du bist ein Prophet! Unsere Vorfahren haben Gott auf dem Berg dort verehrt. Aber ihr behauptete, dass sich in Jerusalem der richtige Ort befindet, um Gott zu verehren!“ Da antwortete Jesus: „Glaub mir, Frau: Es kommt die Stunde, in der ihr den Vater weder auf diesem Berg noch in Jerusalem verehren werdet. Ihr Samariter betet Gott an und kennt ihn nicht. Wir beten Gott an und kennen ihn. Denn die Rettung für alle Menschen kommt von dem jüdischen Volk. Aber es kommt die Stunde, ja, sie ist schon da! Dann werden die Menschen, die Gott wirklich verehren, den Vater anbeten. Dabei werden sie von Gottes Geist und von Gottes Wahrheit erfüllt sein. Denn der Vater sucht Menschen, die ihn so anbeten. Gott selbst ist Geist, und wer ihn anbetet, muss vom Geist und von der Wahrheit erfüllt sein.“
Da sagte die Frau zu ihm: „Ich weiß, dass der Messias kommt. Man nennt ihn auch Christus, den Gesalbten. Wenn der kommt, wird er uns über all das Auskunft geben.“
Jesus antwortete: „Ich bin es. Ich, der mit dir spricht.“
Das Gespräch nimmt etwa diesen Verlauf:
Die Frau merkt: Sie hat es mit einem richtigen Propheten zu tun. Sie kann jetzt nicht mehr spotten. Sie hat jetzt die Gelegenheit, wichtige Fragen der Religion zu klären.
Sie sagt: Wir und unsere Vorfahren verehren Gott hier auf dem Berg. Und ihr Juden sagt: Das geht nur im Tempel in Jerusalem.
Jesus antwortet: Bald wird Gott weder hier noch in Jerusalem angebetet werden.
Und jetzt schiebt er einen kleinen Exkurs ein: Ihr Samaritaner habt keine Ahnung von Gott. Aber wir Juden, von uns kommt ja das Heil.
Es ist ein Exkurs, wie ihn alle Vertreter in interreligiösen Gesprächen gerne machen würden – aber keiner traut sich, den anderen die Wahrheit abzusprechen. Jesus tut das ganz unverblümt.
Aber Jesus belässt es nicht dabei. Er sagt: „Bald werden die Menschen Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Da geht es dann nicht mehr um die theologischen Spitzfindigkeiten. Da geht es um den richtigen Geist, um die wahrhaftige Haltung. Da ist es egal, ob du Jude oder Christ, Samaritanerin oder Muslimin bist. Es geht dann nur noch darum, dass du Gott wahrhaft suchst.
Die Szene endet mit einem Bekenntnis der Samaritanerin zum Messias – als der sich Jesus ihr dann offenbart.
Die eigentliche Pfingstbotschaft dieses Predigttextes ist:
Wir sollen Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten. Wir sollen unsere theologischen Spitzfindigkeiten außen vor lassen.
Und dann ist es egal, ob du Christ oder Muslim bist. Wahrhaft gottsuchende Menschen finden untereinander eine Ebene, auf der sich miteinander kommunizieren – und auch beten können.
Ich hoffe sehr, dass wir nächstes Jahr Pfingstmontag zusammen mit der katholischen St. Peter-Gemeinde feiern können.
Und ich träume davon, dass wir eines fernen Tages hier in Offenbach vielleicht Menschen aller Religionen an einem Pfingstwochenende zum gemeinsamen Gebet versammeln können. Danke, Jesus, dass du uns Mut dazu machst.
Amen.
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