08/08/2024 0 Kommentare
Angesteckt von Freude
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# Predigt
Angesteckt von Freude
Liebe Gemeinde!
Vielleicht haben Sie das alle schon einmal erlebt: Leute unter sich, die feiern. Die Atmosphäre ist großartig. Und Sie wären gern dabei. Aber die Leute drehen sich von ihnen weg, bilden mit den Schultern einen Wall. Bewegen sich in ihren inneren Kreisen. Reden nur mit Vertrauten. Repräsentieren, zeigen sich als die bessere Gesellschaft, diejenigen, die dazugehören. Und Sie? Sie sind außen vor.
Vielleicht kennt jede und jeder das Gefühl. Und niemand möchte es erleben. Deswegen bemühen wir uns um unseren inneren Kreise, um unsere Freundeskreise, zu denen wir gehören. Wir bemühen uns gerade nicht zu denen zu gehören, die hinter dem Wall der zusammenrückenden Schultern alleine stehen bleiben. Ausgeschlossen zu sein, nicht dazuzugehören, sich zu wünschen „Da wäre ich gerne dabei!“, aber keinen Zugang zu finden das ist verletzend. Das möchte man nicht erleben.
Ich stelle diesem Gefühl den Wochenspruch gegenüber: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.“ Jesus verhält sich nicht wie die aus dem inneren Kreis. Er ist nicht exklusiv. Er will einbeziehen, den Kreis öffnen – gerade für diejenigen, die sich schwertun mit der Zugehörigkeit. Er lädt ein, freimütig, offenherzig, ohne Bedingungen zustellen. Er wendet sich uns zu und sagt: „Ich will euch erquicken.“
Er zeigt uns, was eine gute Feier ausmacht: Dass niemand vor der Tür stehen muss und Angst hat, dazuzugehören. Vergangenen Freitag haben wir Jazzanova gefeiert. Ingolf Griebsch und seine Band haben fröhliche Latino-Klänge gespielt. Wir haben das Gartentor weit offenstehen lassen und auf Vorbeikommende gehofft, dass sie dazu kommen. Die Stimmung im Garten schien mir entspannt. Man mischte sich, unterhielt sich mit unterschiedlichen Leuten. Wir haben versucht, im Sinne Jesu zu feiern: Nicht elitär, ausgrenzend, zusammengerückt, sondern offenherzig. Ist es uns gelungen? Ich hoffe es sehr. Ob das auch bei allen so angekommen ist, die sich nicht getraut haben, das Kirchengrundstück zu betreten? – wir wissen es nicht. Ganz in der Hand haben wir es nicht, wie die eigene Feier auf andere gewirkt hat.
Die Sicht der Gastgebenden ist immer eine andere, als die der Eingeladenen. Jesus erzählt ein Gleichnis von einem Gastgeber. Und Ihr, liebe Konfis, werdet demnächst die Gastgebenden sein, die Einladenden. Am 8. Juli feiern wir Konfirmation hier in der Friedenskirche. 22 Konfis laden ihre Verwandten und Bekannten ein. Wenn 20 Angehörige pro Konfi in die Kirche kommen, werden wir 400 Stühle und Sitzplätze brauchen. Das finde ich großartig. Ich hoffe, dass die Kirche aus allen Nähten platzen wird. Aber wir wissen es natürlich nicht.
Ihr seid die Einladenden. Und vielleicht haben die einen oder anderen von euch schon etwas von dem nachempfinden können, was dem einladenden Herrn aus Jesu Gleichnis widerfährt.
Ich lese noch mal das, was wir bereits als Evangelium gehört haben. Ich lese davon die erste Hälfte, Lukas 14,15-21.
„Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: „Kommt, denn es ist schon bereit!“
Da fingen sie alle an, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: „Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.“
Und ein andrer sprach: „Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.“
Wieder ein andrer sprach: „Ich habe eine Frau geheiratet; darum kann ich nicht kommen.“
Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn.“
Es hagelt Absagen. Ist euch das auch schon passiert – dass Leute, die eigentlich kommen wollten und auf die ihr euch eigentlich gefreut hattet, jetzt doch nicht kommen? Und dass euch die Gründe nicht immer eingeleuchtet haben? – Warum ist dem sein Urlaub wichtiger als meine Konfirmation? Er wusste es doch schon über ein Jahr, dass ich an diesem Wochenende Konfirmation habe!
Vielleicht ergeht es den meisten von euch, die Absagen bekommen auch so, dass ihr im ersten Moment enttäuscht seid – und euch dann aber sagt: „Naja, so eng sind wir ja auch nicht.“ Oder: „Der schöne Urlaub, er sei ihm gegönnt.“ Oder: „Ach, so wichtig ist meine Konfirmation ja auch wieder nicht.“ Dass ihr euch beruhigt mit solchen Gedanken. Dass ihr abwiegelt. Dass ihr euren Ärger kleinredet: „Bringt ja nichts, sich zu ärgern.“
Das ist sicherlich eine gute Idee. Vor allem hilft es wirklich nichts, wenn man sich in seinen Ärger hineinsteigert.
Okay, wir können uns ja mal die Ausreden aus der Geschichte von Jesus anhören. Einer hat einen Acker gekauft. – Wann haben Sie zuletzt einen Acker gekauft? Das tut man nicht so oft. Land wechselt den Besitzer nur, wenn dabei viel Geld fließt.
Der andere hat fünf Joch Ochsen gekauft. Das sind Gespanne fürs Pflügen, und Ochsen sind sehr kräftige und ausdauernde Zugtiere. Schon ein Ochsengespann reicht für eine ziemlich große Ackerfläche. Dieser hier hat sich aber fünf Ochsengespanne gekauft. Er ist also ein wohlhabender Landwirt, der eine ziemlich große Ackermaschine braucht – um eine ziemlich große Ackerfläche zu bewirtschaften. Auch da muss viel Geld geflossen sein.
Der dritte hat geheiratet, und lebt nun in geregelten und bürgerlichen Verhältnissen. Männer konnten zu Jesu Zeiten auch nur dann heiraten, wenn sie das nötige Kleingeld für den Brautpreis zusammenbekamen.
Jesus listet lauter reiche Leute als unzuverlässige und undankbare Gäste auf. Vielleicht möchte Jesus damit sagen, dass der Besitz sie bindet. Dass sie unfrei sind, Gottes Einladung zu seinem großen Friedensreich zu folgen – denn dafür steht die Einladung des Hausherren im Gleichnis. Und dass diese reichen Leute von ihrer Sorge um ihren Besitz gefangen sind – und dass sie keinen Blick mehr haben für das, worauf es wirklich ankommt im Leben. Ja, Jesus ist unbequem. Er tritt manchmal ganz schön revolutionär auf, ob uns das passt oder nicht.
Aber mehr als das erstaunt mich noch etwas anderes. Der einladende Herr reagiert anders als wir, wenn wir eine Absage bekommen. Wir wiegeln ab, entschuldigen die absagenden Gäste, reden unsere Gefühle klein.
Dieser Herr gibt aber seinen Gefühlen nach. Er lässt sich von ihnen überrollen. Er lässt ihnen freien Lauf – und er lässt sich vor allem völlig ungeschützt zu einer überraschenden Reaktion verleiten. Hören Sie selbst die zweite Hälfte des Gleichnisses
„Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: „Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen und Verkrüppelten und Blinden und Lahmen herein.“
Und der Knecht sprach: „Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.“
Und der Herr sprach zu dem Knecht: „Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.“
Das Fest soll keine geschlossene Gesellschaft sein. Es soll ein offenes Fest sein, einladend, fröhlich, alle mit einschließend. Ein großartiges Fest. Das Motto heißt hier nicht „Heute geschlossene Gesellschaft!“, sondern „Kommt, denn es ist alles bereit!“
Der Gastgeber schickt seinen Knecht noch einmal los. Er lässt die anderen holen, nun nicht mehr die feine Gesellschaft, sondern die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen. Und weil dann noch Platz ist, auch noch die Landstreicher, die Obdachlosen, die Nichtsesshaften von der Straße.
Stellen Sie sich diese Mühseligen und Beladenen vor. Staunend, vielleicht auch gerührt, dass man sie auch mal sieht. Froh über das gute Essen, dankbar – und vielleicht überrollen die Gefühle auch den einen oder anderen von ihnen, die Tränen kullern. Wann war es zuletzt so schön? Damals, zuhause bei den Eltern an Festtagen, bevor man auf die schiefe Bahn gekommen war. Unfassbar, dass man so etwas noch mal erleben darf!
Die Armen und Verkrüppelten und Blinden und Lahmen und die auf den Landstraßen und an den Zäunen erleben die Offenheit, die sie bisher immer vermisst haben. Ihnen öffnen sich Türen, die bisher immer verschlossen waren. Sie finden Wärme und Herzlichkeit, wo sie bislang immer auf Kälte und Ablehnung gestoßen waren.
Wo finden Sie sich in Jesu Gleichnis wieder? Vielleicht nehmen Sie in unterschiedlichen Lebenssituationen unterschiedliche Rollen ein. Vielleicht sind Sie manchmal auch gemein, abweisend, elitär. Vielleicht freuen Sie sich manchmal, dass sie dazu gehören, zum inneren Kreis, zu denen, die was Besseres sind.
Vielleicht fühlen Sie sich manchmal aber auch ausgestoßen, ausgespuckt, verletzt und schwach. Sie wären gern dabei, aber niemand öffnet Ihnen die Tür.
Jesu Gleichnis ist parteilich. Jesus ergreift Partei für Ihr zweites Ich, für das verletzliche Ich – für Ihr verletztes Ich. Und er stößt die Tür weit auf und holt Sie zu sich. Und er feiert mit Ihnen ein Fest, ein Freudenfest. Und er zieht Sie aus der Tiefe zu sich empor und tanzt mit Ihnen, bis Ihnen die Füße schmerzen und Sie nicht mehr wissen, wohin mit Ihrer Freude.
Wir feiern heute das Heilige Abendmahl in Erinnerung an diese Gastfreundschaft Jesu. Wir feiern es hier in der Friedenskirche als mündige Christinnen und Christen, die wir um den Auftrag Jesu wissen, der uns gestellt ist. Und wir feiern es als gedemütigte Menschen, als schwache Menschen, die vom Leben gezeichnet sind, als Menschen, die sich einladen lassen, die sich von Jesu Freude anstecken lassen, von seiner Ungezwungenheit und Offenherzigkeit.
Amen.
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