08/08/2024 0 Kommentare
Bewahrt euch euer reines Gewissen!
Bewahrt euch euer reines Gewissen!
# Predigt
Bewahrt euch euer reines Gewissen!
Liebe Gemeinde, und ganz besonders: Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!
Vielleicht habt ihr es bemerkt: Simon hat das ganze Jahr Fotos von unserer Gruppe gemacht. Von allem Möglichen, was wir miteinander erlebt haben: von unserem Kennenlerntreffen am 9. Juli vor einem Jahr im Pfarrgarten, von euren ersten Konfistunden im September, von unserer Fahrt nach Kaub, von der Sprayaktion im Dezember vor der Kirche, von der Nachtwanderung zum Weihnachtsmarkt am Goetheturm, vom Ausflug ins Bibelmuseum, von der Fahrt nach Mainz, von unserem Fotoprojekt zum Glaubensbekenntnis und vielem mehr.
Ich habe mir diese Fotos vergangene Woche durchgesehen und daraus ein Fotobuch gemacht, das ihr euch nach dem Gottesdienst unten im großen Saal anschauen könnt. Da liegt allerdings nur ein Ansichtsexemplar für alle, die Interesse haben und ein eigenes Büchlein bestellen wollen.
Mir fällt an den Fotos auf, wie klein ihr noch ward, als ihr bei der Konfirmation letztes Jahr im Juli oben auf dem Balkon saßt und gewartet habt, dass ihr endlich Bonbons auf die Jugendlichen unten werfen dürft. Und wie viel reifer und erwachsener ihr jetzt auf den Bildern ausseht.
Natürlich seid ihr Jugendliche, die sich noch viel weiterentwickeln. Und ihr solltet das auch genießen: wie ihr noch zuhause bei euren Eltern seid und für euch gesorgt ist, wie ihr euch um nichts kümmern müsst, weil sich der Frühstückstisch wie ein Wunder von selbst deckt, weil sich die Wäsche wie ein Wunder von selbst wäscht, und weil die Klamotten, die ihr abends über dem Fußboden eures Zimmers verteilt, sich auf wundersame Weise selbst immer wieder aufräumen.
Ich kann euch jetzt schon sagen: Wenn ihr größer seid, auszieht und alleine lebt, dann wird dieses Wunder so nicht mehr funktionieren. Dann müsst ihr den Frühstückstisch selber decken, den Kühlschrank selber füllen, die Wäsche selber waschen und euer Zimmer selber aufräumen.
Erwachsen werden ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Ich habe schon von Leuten gehört, die wurden nie erwachsen. Denn Erwachsenwerden hat auch mit Abschieden zu tun. Zum Beispiel mit dem Abschied vom behüteten Elternhaus und mit dem Abschied von vielen Bequemlichkeiten.
Wir, die wir uns erwachsen nennen, trauern oft unserer Jugend hinterher. In Wirklichkeit ist eure jugendliche Welt genauso kompliziert wie die der Erwachsenen. Doch je älter ihr werdet, desto häufiger werdet ihr erleben, wie sich kleine harmlose Begegnung plötzlich zu riesigen Problemen auswachsen können. Und wie schwer plötzlich Verantwortung auf einem lastet, vor allem, wenn man sie ganz alleine schultern muss.
Jetzt sagen euch eure Eltern und die Lehrerinnen und Lehrer in der Schule: So lange ihr Gutes tut und ehrlich seid, habt ihr keine Problem und alles wird gut. Später, wenn man sich dann durch die Ausbildung und die Berufskarriere boxt, begegnet einem häufiger die gegenteilige Meinung. Da heißt es dann plötzlich: Die intriganten und miesen Typen setzen sich durch, und die Gutmütigen bleiben auf der Strecke.
Manche von euch werden es sogar noch schlimmer erleben: Selbst wenn ihr ehrlich seid und alles richtig macht, können andere euch, wenn sie es unbedingt wollen, einen Strick daraus drehen und euch in die Pfanne hauen.
Von diesen Widersprüchen handelt vieles, worüber ich hier Sonntag für Sonntag predige. Manches ging deshalb sicherlich über eure jugendlichen Köpfe hinweg. Vielleicht seid ihr im Laufe dieses Jahres im Konfirmandenunterricht aber auch in vieles hineingewachsen.
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Anders als in den meisten evangelischen Kirchen in Offenbach sind Konfirmanden an der Friedenskirche erst kurz vor ihrer Konfirmation zum Abendmahl zugelassen. Wir haben darüber im Konfirmandenunterricht gesprochen. Wie das gehandhabt wird, darüber entscheidet nämlich der Kirchenvorstand. Und jeder Kirchenvorstand kann anders entscheiden.
Ein Kirchenvorstand kann leicht begründen, warum Nicht-Konfirmierte zum Abendmahl zugelassen sind. Denn erstens lädt Jesus zum Mahl ein, nicht wir haben über die Gästeliste zu bestimmen. Und zweitens lädt Jesus nicht nur glaubensstarken Menschen zum Mahl ein. Sondern er lädt Jünger ein, die total überfordert und verunsichert sind.
Wir haben über die Geschichte von Jesu letztem Mahl mit seinen Jüngern gesprochen. Da sagt Jesus: „Einer von euch wird mich verraten.“ Und die Jünger fragen alle: „Herr, bin ich’s.“ Keiner von ihnen ist so gefestigt und stark, dass er nicht vielleicht auch als Verräter in Frage kommt. Besonders gefestigt und erwachsen im Glauben zu sein, das kann also keine Voraussetzung dafür sein, am Abendmahl teilnehmen zu dürfen.
Man kann aber auch gut begründen, warum man mit dem Abendmahl bis zu Konfirmation warten sollte. Als Jesus seinen Jüngern den Kelch reichte, sagte er: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das vergossen ist zur Vergebung der Sünden.“ Diese Worte Jesu zitiere ich jedes Mal, wenn wir das Abendmahl feiern.
„Zur Vergebung der Sünden“, sagt Jesus. Je mehr wir aus dem Zustand der Unschuld aufwachen, je mehr wir uns bewusstwerden, wie wir als Erwachsene nicht nur Verantwortung für unser Leben übernehmen, sondern auch an dieser Verantwortung scheitern, desto mehr treibt uns die Frage nach unserer Schuld, nach unserem Schuldigwerden um. Und desto schwerer wird es auch, zu vergeben – oder auch Vergebung anzunehmen.
Zum Abendmahl zu gehen – so sagen wir es in der Friedenskirche – hat eben doch etwas mit dem Erwachsenwerden zu tun. Es hat eben doch damit zu tun, dass wir so etwas wie Vergebung im Abendmahl suchen, eine Art Versöhnung mit Gott – und mit uns selbst. Und deshalb ist auch legitim, wenn unser Kirchenvorstand sagt: Wir warten mit dem Abendmahl bis zur Konfirmation.
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Der Predigttext für den heutigen Sonntag ist kompliziert, weil er in zwei Teile zerfällt. Im ersten Teil argumentiert der Autor: Wer das Leben lieben will, wer es also genießen will, soll Gutes tun und sich vom Bösen abwenden. Denn Gott belohnt die Guten und bestraft die Bösen. – Man kann sich fragen, ob das stimmt. Denn oft haben die Gutmütigen ja das Nachsehen.
Im zweiten Teil scheint es so, als habe der Autor des Predigttextes diesen Einwand gehört. Zumindest argumentiert er nun anders. Er sagt:
Gutes zu tun, ist immer richtig, auch wenn man deswegen Nachteile erleidet. Denn erstens habe ich, wenn ich alles richtig gemacht habe, immerhin ein reines Gewissen.
Und zweitens verlange Gott ja von uns, dass wir um guter Taten willen zu leiden bereit sind. Dass wir sozusagen unsere Leidensfähigkeit und Geduld unter Beweis stellen. Es sei aber nicht Gottes Wille, dass wir Böses tun. Denn wer Böses tut und dafür leidet, den treffe die Strafe zurecht.
So ungefähr argumentiert der Autor des 1. Petrusbriefes. Ich lese den Text jetzt so vor, wie er in der sprachlich aktualisierten Lutherbibel steht:
Seid alle gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, auf dass ihr Segen erbt.
Denn „wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen. Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach. Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten, und seine Ohren hören auf ihr Gebet; das Angesicht des Herrn aber sieht auf die, die Böses tun.“
Und wer ist’s, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert?
Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht; heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen.
Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Ehrfurcht.
Und habt ein reines Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, wenn sie euren guten Wandel in Christus schmähen.
Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen.
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Zwei Dinge nehme ich mit. Das eine: Bewahrt euch euer reines Gewissen. Es hilft. Ein reines Gewissen kann nur haben, wer entweder alles richtig gemacht hat. Oder wer sich mit dem Bösen, das er tut, auseinandergesetzt hat und nach Vergebung sucht.
Das zweite: Seid geduldig und bleibt gutmütig, auch wenn ihr Enttäuschungen und Nachteile einstecken müsst. Denkt einfach: Wenn es schon nicht die anderen danken, dass ich eine ehrliche Haut geblieben bin, wird es mir doch immerhin Gott anrechnen.
Wenn wir uns im Abendmahl um den Altar versammeln, dann unterstellen wir dabei: Hier versammeln sich die Gutmütigen und die all diejenigen, die zumindest um ihre inneren Widersprüche wissen und die nach Vergebung suchen. Hier, im Kreis um den Altar, bricht etwas von der neuen Wirklichkeit an, auf die wir hoffen: dass wir einander als Menschen guten Willens sehen und anerkennen, und dass wir alle einander wieder in die Augen sehen können.
Amen.
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