Hereinspaziert!

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# Predigt

Hereinspaziert!

Liebe Gemeinde, 

ich bin mir sicher, Sie alle sprechen gerne Einladungen aus. Sie alle haben es gern, wenn andere zu Ihnen kommen, mit Ihnen feiern, Ihre Nähe schätzen, mit Ihnen als Familie, als Freunde, als Nachbarschaft zusammen sein wollen. 

Einladend zu sein, ist eine tolle Sache. Doch dann schlägt jemand Ihre Einladung aus. Wie reagieren Sie?

Wir haben gerade das Gleichnis Jesu, in dem ein Mann viele Gäste zu einem großen Festessen macht. Dann kommen die ersten Absagen. Wie reagiert er? Er lädt einfach weiter ein, alle anderen, die er noch nicht auf dem Schirm hatte. 

Welche Erfahrung haben Sie mit ausgeschlagenen Einladungen? Okay, dass mal jemand keine Zeit hat – geschenkt. Aber manchmal sind das die kleineren Zurücksetzungen im Alltag: Jemand ist wiederholt nicht bei einer Familienfeier dabei, immer wieder kommt etwas dazwischen, und irgendwann glaubt man, da redet sich jemand raus.  

Manchmal sind es nicht Einladungen zu Festen, die jemand ausschlägt, sondern das Angebot, dass man ihnen helfen möchte. Und man fragt sich, warum kann lässt du das nicht zu, es wäre doch so einfach, und ich kann dir doch helfen, ich bin doch für dich da, ich mache es doch gern.

Manchmal stehen dahinter aber auch große biographische Zurücksetzungen, Einschnitte im eigenen Leben. Ein Elternteil verlässt die Familie, und die Kinder fragen sich ein Leben lang: Warum hast du mir, warum hast du uns das angetan? Ein Kind bricht mit seinen Eltern, sucht nur noch den Streit. Oder es bricht ganz den Kontakt zu seinen Eltern ab, sucht noch nicht mal den Streit, sondern verschwindet einfach so von der Bildfläche. Das Kind teilt sich nicht mit, die Eltern rätseln, machen sich Vorwürfe, tauschen sich mit ihren Freunden aus, aber sie finden keinen Grund, warum. Übrigens passiert das gar nicht so selten. 

Wie gehen wir mit solchen Frustrationserfahrungen um? Wie halten Sie sie aus? 

Genau diese Frustrationserfahrung ist unserer Religion, dem Christentum, in die Wiege geschrieben. Die ersten Gemeinden verstanden sich als offenherzige, einladende Gemeinschaften. Jede und jeder sollte Zugang haben. Sie gründeten sich in den alten israelitischen Synagogen rund um das Mittelmeer. Sie waren Juden, verstanden sich aber als Universalgläubige. Sie luden Nichtjuden ein und verprellten oftmals die Alteingesessenen. Sie wiederholten wieder und wieder, alle sind eingeladen, die alteingesessenen Juden und die Heiden, die Nichtjuden. 

Die Alteingesessenen wollten davon nichts wissen und wandten sich ab. So entstanden zwei Religionen. Die Alteingesessenen formierten sich zum rabbinischen Judentum. Die Universalgläubigen formierten sich zur christlichen Kirche. Und aus der Einladung der Offenherzigen an die Alteingesessenen wurde eine unerwiderte Einladung, aus der unerwiderten Einladung wuchs Frustration, aus der Frustration wuchs Ablehnung, und die Ablehnung wuchs sich zu Hass aus. Und so entstand der Antisemitismus. Und mit dem Antisemitismus hatte sich das Christentum in das Gegenteil von dem gekehrt, wozu es einmal gestartet war. Antisemitismus ist unchristlich, Antisemitismus ist antichristlich. 

Wie halten wir die Frustration aus, ohne dass wir zu Hassenden werden? Wie münzen wir die Frustration um in bleibende Offenheit? Wie erhalten wir uns das, was wir ursprünglich einmal sein wollten: einladend? Der Predigttext für den heutigen Sonntag stammt aus einer Zeit, als altgläubige Juden und Christus-gläubige Juden noch alle Juden waren. 

Die einen wollten ihren alten Glauben beibehalten, bestanden darauf, dass ein Mann nur dann Jude sein könne, wenn er sich beschnitten sei – weil es die Tora, das jüdische Gesetz nun einmal so vorschreibt. Sie bestanden darauf, dass Juden sich von den Gastmählern der Heiden fernhalten, weil diese nicht koscher essen. Sie bestanden darauf, dass am Schabbat die Juden nicht arbeiten, sondern in der Synagoge und daheim feiern. 

Die anderen wollten ihren jüdischen Glauben öffnen für die Heiden, ihn zugänglicher machen für die Nicht-Juden – und natürlich gleichzeitig auch die Gemeinschaft mit den Altgläubigen aufrechterhalten. Sie sagten den neu Eingeladenen: Es geht auch ohne Beschneidung. Ihr könnt essen, was ihr wollt. Sie sagten: Entscheidend ist doch, dass der Messias schon gekommen ist, der Christus, und dass er von den Toten auferstand, so dass wir miteinander dieses Osterfest feiern können, den Anbruch der neuen Schöpfung, in der schon bald alle Feindschaft, alle Gegensätze, alle Fremdheit überwunden sein wird. 

Schön, diese anfängliche Begeisterung für den neuen Glauben, der Frieden stiften soll zwischen allen Menschen! Und doch kann man auch gut die Altgläubigen verstehen, die an dem festhalten wollten, was sie kannten und was sich für sie bewährt hatte. 

Diese anfängliche Begeisterung für einen Glauben, der alle Grenzen überwindet, der fremde Menschen einlädt, der offen ist für neue Erfahrungen, diese Begeisterung ist aufgeschrieben und festgehalten am Brief an die Epheser. Es ist ein Brief an die neu Dazugekommenen, an die Heiden, die jetzt Juden sein sollten, aber sich noch nicht ganz eingeladen fühlten. Der Abschnitt aus dem 2. Kapitel des Epheserbriefes lautet so: 

Erinnert euch daran, dass ihr früher rein äußerlich Heiden wart. Von den sogenannten Beschnittenen wurdet ihr die Unbeschnittenen genannt. Dabei haben auch sie nur die körperliche Beschneidung, die von Menschen vollzogen wurde.

Denkt daran, dass ihr damals von Christus getrennt wart. Ihr habt nicht zu Israel gehört. Als Fremde galt für euch keiner der Bundesschlüsse, mit denen Gott sein Versprechen gab. Ohne Hoffnung und ohne Gott habt ihr in dieser Welt gelebt.

Aber jetzt gehört ihr zu Christus Jesus. Ihr, die ihr einst fern wart, seid ihm nahe gekommen durch das Blut, das Christus vergossen hat. 

Ja, Christus selbst ist unser Frieden. Er hat aus beiden, aus den Juden und den Heiden, ein Ganzes gemacht. Er hat die Mauer niedergerissen, die sie trennte. Er hat die Feindschaft zwischen ihnen beseitigt, indem er seinen Leib hingab.

So hat er das Gesetz aufgehoben mitsamt seinen Geboten und Vorschriften. In seiner Person hat er die beiden Teile zu einem neuen Menschen vereint und dadurch Frieden gestiftet. Zugleich hat er die beiden Teile durch seinen Tod am Kreuz als einen Leib mit Gott versöhnt. So hat er durch seinen Tod die Feindschaft getötet. 

Er kam und verkündete Frieden: Frieden für euch in der Ferne und Frieden für die in der Nähe. Denn durch ihn haben wir beide in ein und demselben Geist Zugang zum Vater.

Ihr seid also nicht mehr Fremde und ohne Rechte in Israel. Ihr seid vielmehr Mitbürger der Heiligen und Mitglieder von Gottes Hausgemeinschaft.

Ihr seid gegründet auf dem Fundament der Apostel und Propheten, dessen Grundstein Christus Jesus ist. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten. So wächst er zu einem heiligen Tempel empor, der dem Herrn gehört. Weil ihr zum Herrn gehört, werdet auch ihr als Bausteine in diesen Tempel eingefügt. Gott wohnt darin durch den Heiligen Geist.

(Epheser 2,11-22)

Ich liebe Texte wie diese, weil sie uns an die Anfänge erinnern, an das, womit wir einmal gestartet sind. Sie halten uns frisch, geben uns gewissermaßen unsere Jugend zurück, unsere Unverbrauchtheit. Sie erinnern uns an unsere erste Liebe und Offenheit. Sie erinnern an die Zeit eines ungetrübten Miteinanders. 

Ich liebe gerade diesen Text, weil er uns einen Grund gibt, nach Jahren der Zurückweisung dennoch bei dem zu bleiben, mit dem man einmal gestartet ist. Weil er uns einen Grund gibt, die Zurückweisung nicht an sich nagen zu lassen. Und dieser Grund ist Jesus von Nazareth, den wir den Christus nennen. Dieser Grund ist, wie Jesus von Nazareth selbst mit der Frustration, abgewiesen zu werden, umging. Wie seine Frustrationstoleranz schier ins unermessliche wuchs. Wie er nie aufhörte, einladend zu sein, aller Feindschaft, die sich gegen ihn aufbaute, zum Trotz. Und diese Worte aus dem Epheserbrief erinnern uns daran: 

Christus selbst ist unser Frieden. Er hat aus Juden und den Heiden ein Ganzes gemacht. Erhat die Mauer niedergerissen, die sie trennte. Er hat die Feindschaft beseitigt, indem er seinen Leib hingab.

In seiner Person hat er die beiden Teile zu einem neuen vereint und dadurch Frieden gestiftet. Er hat, was getrennt war, durch seinen Tod am Kreuz mit Gott versöhnt. 

Er hat durch seinen Tod die Feindschaft getötet. 

Am Anfang unseres Glaubens steht einer, der sich hingibt. Der sich und seine Bedürfnisse zurückstellt. Der bedingungslos lieben kann, auch in der Zurückweisung. Der auch im Äußersten nicht aufhört, seine Einladung auszusprechen. Der alles vergeben kann, und der noch am Kreuz sagt: „Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Unser christlicher Glaube fußt auf dem, dessen Langmut schier übermenschlich ist. Und wenn uns unsere Frustration erfasst und niederwirft, wenn sie uns ins Grübeln bringt, uns quält, uns nächtelang nicht schlafen lässt, können wir auf ihn sehen, der grenzenlos weiterliebt, den die Zurückweisung nie abgeschreckt hat, und der uns wieder und wieder zuruft: 

Kommt her zu mir, ihr alle die ihr euch mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Nehmt das Joch auf euch, das ich euch gebe. Lernt von mir: Ich meine es gut mit euch und sehe auf niemanden herab. Dann werden eure Seelen Ruhe finden. Denn mein Joch ist leicht.

Und was ich euch zu tragen gebe, ist keine Last.

Amen

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