14/01/2025 0 Kommentare
Übern Jordan
Übern Jordan
# Predigt

Übern Jordan
Liebe Gemeinde,
wenn wir den christlichen Glauben verständlich machen wollen, müssen wir Geschichten erzählen.
Neulich hatte ich ein junges Paar aus dem Iran in meinem Büro. Er hat sich bereits taufen lassen. Als konvertierter Christ, als jemand, der sich vom Islam abgesagt hat, kann er nun nicht mehr in den Iran zurückkehren.
Und sie möchte kommenden Sonntag bei uns in der Friedenskirche getauft werden, noch bevor sie dieses Jahr 30 Jahre alt wird.
Sie hat mir in unserem Gespräch Fragen gestellt. Wie ist das mit Himmel und Hölle? Ich habe gesagt, dass ich an Gerechtigkeit glaube. Und dass wir unseren Lohn für unser Leben davontragen, ob in diesem oder in jenem Leben.
Sie wollte wissen, ob man – wenn man nach dem Tod in die Hölle kommt – auch eine Chance hat, wieder herauszukommen. Ich habe ihr die Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus erzählt. Dass der arme Lazarus vor der Türschwelle des reichen Mannes dahinvegetiert, und die Hunde lecken seine Geschwüre. Beide sterben. Der arme Lazarus liegt nun in Abrahams Schoß und wird dort getröstet. Und der reiche Mann schmort in der Hölle. Und er ruft, ob Lazarus nicht herüberkommen und seine Zunge mit einer Fingerspitze voll Wasser kühlen könnte. Aber Abraham sagt: Es führt kein Weg von uns zu euch und von euch zu uns. Man kann nicht vom Himmel zur Hölle oder von der Hölle zum Himmel gelangen.
Sie wollte wissen, ob es wirklich unmöglich ist. Ich habe ihr die Geschichte vom reichen Jüngling erzählt, der Jesus fragt, wie er das ewige Leben erlangt. Jesus zählt ihm die zehn Gebote auf. Der reiche Jüngling sagt, er halte sich an alle. Und Jesus sagt: Geh hin, und verkauf alles, was du hast, und gib es den Armen. Da wird der Jüngling traurig und geht, denn er ist sehr reich. Und Jesus sagt zu den Umherstehenden: Eher gelangt ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt. Da entsetzen sich alle um Jesus. Und Jesus fährt fort: Aber bei Gott ist nichts unmöglich.
Sie fragte, woher wir wissen, ob Gott uns vergibt. Ich sagte, wir wissen es nicht. Wir glauben daran. Wir vertrauen darauf. Und ich erzählte ihr die Geschichte von Jesus, der die Sünder zu sich einlädt. Von Jesus, der vom Verlorenen erzählt. Vom verlorenen Schaf, das der Hirte sucht – und für das er alle anderen Schafe stehen lässt. Vom verlorenen Groschen, den die Frau sucht, und wenn sie ihn gefunden hat, feiert sie ein Fest. Vom verlorenen Sohn, der sein Erbe verprasst und den der Vater mit offenen Armen wieder aufnimmt.
Wenn wir vom Glauben erzählen, dann müssen wir Geschichten erzählen, sonst macht das alles keinen Sinn. Wenn wir von der Liebe erzählen, von der verschwenderischen, ungerecht verschwenderischen Liebe Gottes erzählen, dann müssen wir von den Arbeitern im Weinberg erzählen. Dass ein reicher Mann Tagelöhner in seinem Weinberg arbeiten lässt. Um 6 holt er sie von der Straße. Um 9 holt er weitere dazu. Und um 12 noch mal welche. Und dann um 15 Uhr die letzten. Und um 18 Uhr zahlt er sie aus. Und er gibt allen den gleichen Lohn. Da beschweren sich die, die zuerst mit der Arbeit anfingen. Aber der reiche Mann sagt: Hast du nicht alles bekommen, was du verlangt hast, und was wir vereinbart haben? Ist es nicht so reichlich, dass du und deine Familie davon satt werdet?
Mit Gottes Liebe ist es wie mit der Liebe der Eltern zu ihren unterschiedlichen Kindern. Manche Kinder brauchen mehr Liebe als andere. Manchmal beschweren sich dann die Geschwisterkinder. Aber manchmal verstehen sie es auch. Gottes Liebe ist verschwenderisch. Und dabei kann sie eben auch ungerecht sein.
Heute wollen wir etwas über die Taufe verstehen, so gibt es uns die Predigtordnung für den Gottesdienst vor. Wenn wir die Taufe verstehen wollen, dann müssen wir Geschichten erzählen. Heute erzählen wir die Geschichte eines Durchzuges von einem Ufer zum anderen. Wir erzählen die Geschichte, wie der Tauffluss Jordan zur Scheide wird – für ein „Davor“ und ein „Danach“. Die Scheide, die zwischen dem alten Leben in der Wüste und Kargheit und dem neuen Leben in Fülle steht.
Der iranische Mann unseres Täuflings am kommenden Sonntag sagte in unserem Taufgespräch über seine eigene Taufe: „Nach der Taufe fühlte ich mich leicht und unbeschwert. Ich habe meine altes Leben hinter mir gelassen und bin wie neu geboren.“ Seine Worte haben mich bewegt.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag veranschaulicht mit einer Geschichte, wie das Wasser der Taufe zur Scheide werden kann zwischen dem alten kargen Leben und dem neuen erfüllten Leben.
Die Geschichte handelt vom Durchzug des Volkes Israel durch ein Gewässer. Wir hören eine ähnliche Lesung in der Osternacht, wenn es darum geht, dass das Volk Israel durch das rote Meer zieht, das Mose mit seinem Stab teilt. Hinter dem Volk liegt Ägypten, wo das Volk in Knechtschaft gelebt hat. Wo es aber auch an den Fleischtöpfen saß. Es war eine wohlige Knechtschaft. Man hatte zu essen und zu trinken. Nur frei war man nicht.
Man ist dann aufgebrochen. Aber das Alte saß einem noch im Nacken, wollte einen wieder einholen. Es ist die Armee des Pharao, die hinter dem Volk Israel herjagt. Gott hält sie auf Abstand. Zum Glück kam dann der Durchzug durchs rote Meer. Dahinter tat sich die Wüste auf. Als das Volk hindurchgezogen war, kehrte das Meer zurück. Und all das Alte, das einen wieder gefangen nehmen wollte, wurde vom Meer überspült. Das war die Taufe.
Wir hören heute eine ähnliche Lesung. Und sie steht in der Bibel wie eine Art Erinnerung an den ersten Durchzug durch ein Gewässer. Diesmal ist es nicht das Rote Meer, sondern der Fluss Jordan, der Tauffluss Jesu – wie wir eben in der Lesung gehört haben.
Josua, Moses Nachfolger, soll dieses Wunder vollbringen. Und Gott will Josua mit diesem Wunder Ansehen bringen vor dem ganzen Volk.
Israel steht nun also vor dem Fluss Jordan und will aus der Wüste hinein in das Gelobte Land ziehen. Ich lese den ersten Teil der Geschichte vor – Buch Josua, Kapitel 3:
Am nächsten Morgen stand Josua in aller Frühe auf und zog mit den Israeliten von Schittim los. Sie erreichten den Jordan und übernachteten dort, bevor sie den Fluss überquerten.
Drei Tage blieben sie dort. Dann gingen die Schreiber mitten durchs Heerlager und gaben dem Volk den Befehl: »Seht auf die Bundeslade des Herrn, eures Gottes! Wenn die Priester, also die Leviten, sie vor euch hertragen, sollt ihr aufbrechen. Dann zieht hinter der Bundeslade her! Doch ihr sollt etwa 900 Meter Abstand zu ihr halten, näher dürft ihr nicht kommen. Zieht hinter ihr her, damit ihr den Weg wisst, den ihr gehen sollt! Denn diesen Weg seid ihr noch nie gegangen.«
Dann sagte Josua zum Volk: »Sorgt dafür, dass ihr heilig seid! Denn morgen wird der Herr unter euch Wunder tun.« Und zu den Priestern sagte er: »Hebt die Bundeslade hoch und zieht vor dem Volk her!«
Da hoben sie die Bundeslade hoch und gingen voraus. Der Herr aber sprach zu Josua: »Heute will ich beginnen, dich vor den Augen aller Israeliten groß zu machen. Dann werden sie erkennen, dass ich mit dir bin, wie ich mit Mose gewesen bin. Du selbst sollst nun den Befehl geben und zu den Priestern, die die Bundeslade tragen, sagen: Wenn ihr am Wasser des Jordan angekommen seid, dann bleibt dort stehen!«
Das Volk Israel steht nun also vor dem Gewässer. Es sieht das Ziel am anderen Ufer. Es will hinüber. Israel steht symbolisch für die Gemeinschaft der gläubigen Seelen. Israel steht symbolisch für uns – hier für unser altes Ich, dass sich entschieden hat, den Strom zu überqueren.
Gott sagt zu Josua: „Heute will ich beginnen, dich vor den Augen aller Israeliten groß zu machen.“ Gott sagt: Heute wird die Grenze gezogen zwischen „Vorher“ und „Nachher“.
Was ist das Alte, von dem du dich abwendest? In diesem Fall ist es nicht das prasserische Leben, das dich gefangen hält, es ist nicht die Fleischtöpfe Ägyptens, es sind nicht der Pharao und sein Heer. In diesem Fall ist es die Wüste, die Leere in deinem Leben. Du suchst nach etwas, das auf der anderen Uferseite liegt: das Gelobte Land, ein Versprechen auf ein Leben in Fülle, ein erfülltes Leben.
Ich lese weiter:
Schließlich wandte sich Josua an die Israeliten: »Kommt hierher und hört, was der Herr, euer Gott, zu sagen hat!« Dann sagte Josua: »Daran sollt ihr erkennen, dass ihr einen lebendigen Gott in eurer Mitte habt: Er wird vor euren Augen die Kanaaniter vertreiben, die Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und die Jebusiter. Seht auf die Bundeslade! Der Herrscher über die ganze Welt wird vor euren Augen durch den Jordan ziehen.
Wählt aus den Stämmen Israels Zwölf aus, jeweils eine Person aus jedem Stamm. Dann schaut auf die Priester, die die Lade des Herrn tragen, des Herrschers über die ganze Welt. Wenn sie das Flussbett des Jordan betreten und mit ihren Füßen im Wasser stehen, wird das Fließen des Jordan unterbrochen. Das Wasser, das sonst immer weiter fließt, wird sich aufstauen wie bei einem Damm.«
Inzwischen hatte das Volk seine Zelte abgebrochen und machte sich auf den Weg, den Jordan zu überqueren. Die Priester trugen die Bundeslade vor dem Volk her. Dann kamen die Träger der Lade an den Jordan. Der Jordan aber war damals über die Ufer getreten, schon während der gesamten Erntezeit.
Als nun die Priester ihre Füße ins Wasser setzten, floss das Wasser nicht mehr weiter. Es türmte sich auf wie bei einem Damm. Es staute sich weiter oben bei der Stadt Adam, die neben Zaretan liegt. Und wo der Jordan weiter unten ins Tote Meer mündet, hatte es ganz zu fließen aufgehört.
Dazwischen, ungefähr auf der Höhe von Jericho, durchzog das Volk den Fluss. Die Priester, die die Bundeslade des Herrn trugen, blieben im trockenen Flussbett des Jordan stehen. So kamen alle Israeliten trockenen Fußes hinüber, bis der Durchzug durch den Jordan abgeschlossen war.
Es ist ein festlicher Akt, dieser Durchzug durch den Tauffluss Jordan.
Und daran sollt ihr erkennen, dass ihr einen lebendigen Gott in eurer Mitte habt, heißt es: Er wird vor euren Augen die Kanaaniter vertreiben, die Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und die Jebusiter.
Es sind keine Völker, die da vertrieben werden. Es sind die Dinge, die dich nachts verfolgen:
Es ist der Geschwisterstreit, der dich nicht loslässt. Es ist die verfahrene Ehe, die dich quält. Es ist das eine Schreckensbild, dass sich dir schon als Kind eingeprägt hat, das du nie mehr loswirst. Es ist eine Schuld, die an dir nagt. Es ist dein Versagen, das du nicht wahrhaben willst, aber leider wahrhaben musst, weil du ständig darauf gestoßen wirst.
Daran sollt ihr erkennen, dass ihr einen lebendigen Gott in eurer Mitte habt: Er wird vor euren Augen die Kanaaniter vertreiben, die Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und die Jebusiter.
Er wird sie alle vertreiben. Weil Gott ein gütiger Gott ist. Und weil er alles stehen und liegen lässt, um das Verlorene zu suchen. Und weil du sein Verlorenes bist, wird er dich finden, und er wird ein Fest für dich feiern. Und dann wirst du endlich wieder ruhen können, wie in Abrahams Schoß.
Du kannst dich darauf verlassen. Amen.
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